hochTIEF: Erfahrungen eines Volontärs
herr denes, 15:02Uhr
Von Feuerbachstraße bis Griebnitzsee bin ich ein Star. Der Moderator, der schon bald einen Sender aus dem Quotenloch holen wird. Den der Chefredakteur fast genauso gerne als Reporter einsetzen würde, weil er dadurch viele Journalistenpreise auf sein Konto verbuchen könnte. Der Star, weil ich von den Hörern geliebt werde. Sie würden einen schlechten Tag haben, wenn ich einmal nicht wie geplant auf Sendung gehen würde. Von Feuerbachstraße bis Griebnitzsee fahre ich zur Arbeit – und bin definitiv ein Star.
Von Griebnitzsee bis Feuerbachstraße bin ich oft genug ein Niemand. Unfertig und mit dem Hang, das bisschen Talent zu verschwenden, das ich mitbringe. Ein namenloser Wasserträger für die Sendeprominenz – ja noch schlimmer ein tüchtiger, grundsolider Verwechselbarer. Einer, der nach drei Jahren immer noch nicht selbst vors Mikrophon gelassen wird, der immer nur zurückhängt. Einer, dem man auf die Schulter klopft, wenn er wieder die Drecksarbeit gemacht hat. Einer, der sich mit 40 endlich mal eine Fernreise gönnt und gesetzlich krankenversichert ist.
Von Feuerbachstraße bis Griebnitzsee erinnere ich mich an gute Journalisten, die mir gesagt haben: „Aus dir wird noch einmal was!“ (Damals noch mit großem „Dir“, denn so lange ist es her, dass ich das gehört habe.) Zwischen Rathaus Steglitz und Lichterfelde West fällt mir ein, dass ich das inzwischen deswegen nicht mehr höre, weil etwas aus mir geworden ist. Bis Zehlendorf konzipiere ich dann meine Talkradio-Show, den Blue Moon auf Fritz, der zum Nachfolger für die „Harald-Schmidt-Show“ geworden ist und von allen ARD-Hörfunk-Magazinwellen gesendet wird.
Von Griebnitzsee bis Feuerbachstraße lese ich die Zettel, auf denen ich die Anregungen meiner Lehrer notiere. Es sind zwei Mal halbierte DIN A 4-Blätter mit einem senkrechten Strich. Auf die linke Seite schreibe ich „gut“ und auf die rechte „schlecht“. 12 Stichpunkte passen auf eine Hälfte, deswegen muss ich häufig das Feld „schlecht“ größer ziehen. Von Wannsee bis Mexikoplatz erkenne ich, dass meine Kritiker recht hatten, dass meine Rechtfertigungen falsch waren. Ich frage mich, wieso mir heutzutage der verhasste Studentenjob als so reizvoll erscheint.
Von Feuerbachstraße bis Griebnitzsee fahre ich zur Arbeit. Das hatten wir schon, auch, dass ich da ein Star bin. Ich höre Musik mit schweren Gitarren und spiele dabei selbst. Ich bin Moderator, Rockstar, Grimmepreisträger und gebe inzwischen selbst Interviews. Ich antizipiere von Schlachtensee an die Kritik meiner Neider, um gedanklich die Sätze zu formen, auf die sich mein Ruf gründet, äußert schlagfertig zu sein.
Von Griebnitzsee bis Feuerbachstraße bin ich ein müder Arbeiter auf dem Weg in den Feierabend. Ich lese das Fernsehprogramm und frage mich, bei welchem Prime-Time-Angebot ich am sanftesten einschlafen werde. Ich denke an Bier, an ein warmes Essen und meine Freundin, die mich erwartet. Ich denke an die warmen Tage, an denen man sich sogar in einem Berliner Freiluftkino wie am Mittelmeer fühlt. Ich denke an meinen arbeitslosen Kumpel, der mir immer sagt, wie viel Glück ich hatte.
Vor einigen Tagen habe ich einen alten Vorgesetzten am Bahnhof Griebnitzsee getroffen. „Beim Radio biste jetzte!“, hat er gesagt und: „Na also, Kleener. Ick hab dir imma jesagt: ‚Aus Dir wird noch mal wat!’“
Von Griebnitzsee bis Feuerbachstraße bin ich oft genug ein Niemand. Unfertig und mit dem Hang, das bisschen Talent zu verschwenden, das ich mitbringe. Ein namenloser Wasserträger für die Sendeprominenz – ja noch schlimmer ein tüchtiger, grundsolider Verwechselbarer. Einer, der nach drei Jahren immer noch nicht selbst vors Mikrophon gelassen wird, der immer nur zurückhängt. Einer, dem man auf die Schulter klopft, wenn er wieder die Drecksarbeit gemacht hat. Einer, der sich mit 40 endlich mal eine Fernreise gönnt und gesetzlich krankenversichert ist.
Von Feuerbachstraße bis Griebnitzsee erinnere ich mich an gute Journalisten, die mir gesagt haben: „Aus dir wird noch einmal was!“ (Damals noch mit großem „Dir“, denn so lange ist es her, dass ich das gehört habe.) Zwischen Rathaus Steglitz und Lichterfelde West fällt mir ein, dass ich das inzwischen deswegen nicht mehr höre, weil etwas aus mir geworden ist. Bis Zehlendorf konzipiere ich dann meine Talkradio-Show, den Blue Moon auf Fritz, der zum Nachfolger für die „Harald-Schmidt-Show“ geworden ist und von allen ARD-Hörfunk-Magazinwellen gesendet wird.
Von Griebnitzsee bis Feuerbachstraße lese ich die Zettel, auf denen ich die Anregungen meiner Lehrer notiere. Es sind zwei Mal halbierte DIN A 4-Blätter mit einem senkrechten Strich. Auf die linke Seite schreibe ich „gut“ und auf die rechte „schlecht“. 12 Stichpunkte passen auf eine Hälfte, deswegen muss ich häufig das Feld „schlecht“ größer ziehen. Von Wannsee bis Mexikoplatz erkenne ich, dass meine Kritiker recht hatten, dass meine Rechtfertigungen falsch waren. Ich frage mich, wieso mir heutzutage der verhasste Studentenjob als so reizvoll erscheint.
Von Feuerbachstraße bis Griebnitzsee fahre ich zur Arbeit. Das hatten wir schon, auch, dass ich da ein Star bin. Ich höre Musik mit schweren Gitarren und spiele dabei selbst. Ich bin Moderator, Rockstar, Grimmepreisträger und gebe inzwischen selbst Interviews. Ich antizipiere von Schlachtensee an die Kritik meiner Neider, um gedanklich die Sätze zu formen, auf die sich mein Ruf gründet, äußert schlagfertig zu sein.
Von Griebnitzsee bis Feuerbachstraße bin ich ein müder Arbeiter auf dem Weg in den Feierabend. Ich lese das Fernsehprogramm und frage mich, bei welchem Prime-Time-Angebot ich am sanftesten einschlafen werde. Ich denke an Bier, an ein warmes Essen und meine Freundin, die mich erwartet. Ich denke an die warmen Tage, an denen man sich sogar in einem Berliner Freiluftkino wie am Mittelmeer fühlt. Ich denke an meinen arbeitslosen Kumpel, der mir immer sagt, wie viel Glück ich hatte.
Vor einigen Tagen habe ich einen alten Vorgesetzten am Bahnhof Griebnitzsee getroffen. „Beim Radio biste jetzte!“, hat er gesagt und: „Na also, Kleener. Ick hab dir imma jesagt: ‚Aus Dir wird noch mal wat!’“
Sonntag, 18. Januar 2004, 15:02, von herr denes |
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