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Mittwoch, 11. Februar 2004
Faction: Inländerhass (1999)
herr denes, 20:51Uhr
Der Major gibt Mandy noch eine Zigarette aus dem kalbsledernen Etui, öffnet sein Benzinfeuerzeug und sagt zu ihr in reinstem Sächsisch: "Rooch ärscht mö eene!" Die blonde Raucherin nimmt einen tiefen Zug, verdreht ihr linkes Auge und atmet danach tief auf. "Isch habs jeschafft. Ey, zwee Stünden im Westen, ey, isch habs jeschafft." Endlich wieder im Osten angelangt, der Major ist stolz auf seine Freundin. Die beiden wohnen in Hellersdorf, einer großen Plattenbausiedlung am östlichen Stadtrand von Berlin. Für Sachsen ist die deutsche Hauptstadt zu einem gefährlichen Pflaster geworden, aber nicht nur für sie.
In den Medien spielt das Thema noch keine Rolle, die Polizei belächelt es, weist aber auch hinter vorgehaltener Hand auf "eine gewisse Dunkelziffer" hin. Aber auf den Straßen Berlins hat es sich herumgesprochen - es gibt eine neue Tendenz proletarischer Gewalttätigkeit: die Ostländerfeindlichkeit. In den letzten vier Monaten ereigneten sich im Westen der Stadt über zwanzig gewalttätige Straftaten gegen Bürger aus den neuen Bundesländern oder Menschen, die für solche gehalten wurden.
Eine offizielle Chronik über diese Ereignisse gibt es nicht, aber der Major, wie sie den arbeitslosen Schlosser Detlev Manske hier "in der Platte" nennen, hat sie alle im Kopf. Seine Telefonnummer steht unter einer Annonce, die täglich im größten Boulevardblatt des Berliner Ostens geschaltet ist. In der Anzeige werden Ostdeutsche, die von gewalttätigen Jugendlichen im Westteil der Stadt schikaniert oder angegriffen worden sind, dazu aufgefordert, die entsprechenden Vorfälle an Manske zu melden; im Gegenzug verspricht dieser eine psychologische Nachbetreuung. Mandy ist schon zum zweiten Mal beim Major, diesmal ist ihr "so direkt nichts" passiert, doch sie fühlte sich beim Fahrradfahren durch den Innenstadtbezirk Charlottenburg "irgendwie beobachtet und gejagt". An einer Ampel, erzählt Mandy, hätte ihr ein Autofahrer durch das herunter gekurbelte Seitenfenster gesagt: "Na, wie fühlt man sich als Sachse? He?" Mandy kann sich nicht erklären, woher diese Leute wissen, daß sie aus Mitteldeutschland käme, wie sie es ausdrückt. Manske hat dafür seine eigene Theorie: "Dit iss ja nüscht Ethnölogisches. Die gehen ooch nürr nochm wie de ussschaust. Weeßte von den Wangenknochen her, der Münd, die Öhrn. Da iss doch jeeda Hellblonde mit kurzen Haaren ein Ossi bei den Schweinen!" echauffiert sich der Major. "S´wird ja ooch imma schlümma, na? Merr hoben schön die Knie jeschlockert, wie isch mit meene Fomilie neulüsch üban Ku´damm jeloofen bin. Die Blicke von denen. Das sind doch eh fast nühur von die Ohslänner!"
Tatsächlich nimmt die Gewalt gerade gegen blonde Sachsen in den letzten Monaten immens zu. Manske freut sich, daß die Medien endlich auch auf dieses Thema zu sprechen kommen. "Immer nur, wenn die Türken oder Araber oder wasweißichwer was aufs Maul kriegen, da ist das Geschrei groß. Das kann doch aber nicht sein. Immerhin sind wir doch Deutsche!" empört sich der Major, dessen Sächsisch inzwischen eine Intensität erreicht hat, die sich graphisch nicht mehr realisieren läßt. Mandy klopft ihm auf die Schulter und verläßt die zwei Zimmer große Wohnung Manskes wieder. Sie hat sich scheinbar beruhigt. Gelegenheit für Manske, etwas über die Fälle ostländerfeindlicher Gewalt zu erzählen, von denen er in den letzten Monaten gehört hat: "Der bisher dramatischste Zwischenfall ereignete sich im Spätsommer in Wedding, als zwei Jungs hier aus Hellersdorf von einer Gruppe Westberliner Jugendlicher angegriffen wurden. Die beiden Jungs wurden übelst vermöbelt, der eine von ihnen hat bis heute Sehstörungen." Die Frage, warum sie zusammengeschlagen wurden, kann Manske auch nicht beantworten, er kennt aber das Lager, aus dem die Gewalttäter kamen: "Die Jungs haben erzählt, daß die Täter die blau-roten Jacken anhatten, mit dem Apfelaufnäher, und zu weite Hosen. Das waren mit Sicherheit Mixheads!"
Manske phantasiert nicht. In einigen Teilen der Westbezirke gibt es tatsächlich Jugendliche, die sich "Mixheads" nennen, eine Hälfe des Kopfes kahlgeschoren haben und auf der anderen lange Haare tragen. Sie sind die radikale Spitze einer ostländerfeindlichen Stimmung, die sich schon seit Jahren unter vielen Westdeutschen breitgemacht hat. Mixheads sind für eine heterogene Gesellschaft, für Schwule, Behinderte, Ausländer als gleichberechtigte Gruppen und gegen intolerante Ostdeutsche. Das Schlimme an den Mixheads ist, daß sie sich vor ihren Gewalttaten nicht die Mühe machen, herauszufinden, ob die Opfer wirklich Schläge verdient haben. Noch schlimmer allerdings ist die Tatsache an sich, daß sie brutal vorgehen.
"Mit 14 Stichen mußte Falk Heidrich genähnt werden, nur weil er so ein anatolisches Muttchen im Supermarkt beim Klauen erwischt hat. Dafür haben ihm diese Verbrecher das Auge eingeschlagen. Die Frau hat alles in eine Tüte gesteckt, statt sich wie ein normaler Mensch einen Einkaufswagen zu nehmen. Da sagt ihm die Olle noch, daß sie kein Markstück für den Einkaufswagen hatte, da frag ich Sie, wie soll sie dann den Einkauf bezahlen? So sind sie, unsere lieben ausländischen Mitbürger. Das stelle man sich mal vor: Dafür, daß er solche Zustände aufdeckt, wird er zusammengeschlagen, in welchem Land leben wir eigentlich? Falk hat schon gesagt, den sieht Schöneberg nicht mehr." Schöneberg ist auch ein Westbezirk und zudem eine Hochburg von Mixheads. Sie treffen sich in konspirativen Kneipen, in denen vornehmlich jamaikanische Reggae-Musik oder Straight-Edge-Hardcore läuft. Im Gegensatz zu anderen Extremisten fehlt den Mixheads allerdings eine parteiliche Organisation. Dieses Umstand findet nicht nur Manske positiv, denn so fehlt den Halbglatzen das Geld für größer angelegte Aktionen gegen Ostdeutsche.
Standortwechsel. Vom äußersten Osten Berlins ins Zentrum, in die Akazienstraße in Berlin- Schöneberg. An einer Häuserwand lehnen zwei Mixheads. David und Francis seien ihre Namen, verraten sie. Sie verkaufen ostländerfeindliches Propagandamaterial wie Stadtpläne, in denen die Mauer wieder eingezeichnet ist und T- Shirts, auf denen "Sachsen raus!" steht. Die beiden sind vielleicht zwanzig Jahre alt und lachen permanent. Man sieht ihnen ihre Gefährlichkeit nicht an; sie wirken, als wären sie noch Pennäler. Von der Teilung des Landes dürften sie nicht mehr viel mitbekommen haben. Auf Nachfragen, ob es die Devotionalien auch in einem Ladengeschäft zu kaufen gäbe, erklärt David: "Nicht so direkt! Verstehste, das ist ja nicht ganz unproblematisch. Von wegen Staatsschutz, Racheakte." Wofür sich Leute rächen wollten, will keiner der beiden beantworten, das wisse man eben oder nicht. Und auf die Frage, warum sie so seien, antwortet David: "Wie sind wir denn? Bewegt eure Journalistenärsche zurück in den Scheißosten!"
Diese Reaktion ist nur allzu verständlich, haben die Mixheads doch große Angst davor, ins Visier der Medienbranche zu gelangen. Ihre Chancen seien größer, wenn sie unbemerkt blieben, erklärt Francis zum Abschied und gibt einem Passanten ein blaurotes Flugblatt. "Alle Ausländer nach Westdeutschland!" steht darauf geschrieben und ein Termin bei einem Bundestagsabgeordneten des Bezirks. Ein paar Straßen weiter liegt das Büro dieses Abgeordneten, der weder namentlich noch über seine Parteizugehörigkeit genannt werden will. Er erklärt einen der Hauptpläne der Mixhead-Bewegung: "Die Apfelstrategie - daher auch das Logo der Aktivisten. Wir wollen die Ostdeutschen nur noch unter ihresgleichen leben lassen, damit die Ausländerfeindlichkeit endgültig ad absurdum geführt wird", beschreibt der Politiker die diffusen Ideen einer Gruppe gewaltbereiter Chaoten. Von ihren brutalen Straftaten will der Volksvertreter nichts wissen: "Glauben Sie nicht, was Ihnen die Ostler erzählen. Die wollen doch nur von den Medien hofiert werden. Kann sein, daß da mal ein paar häßliche Worte gefallen sind, aber mehr auch nicht." An die Ereignisse, über die Manske berichtet hat, glaubt der aus Moers/Nordrhein-Westfalen stammende Bundestagsabgeordnete nicht. "Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum der den Spitznamen 'Major' erhalten hat? Nach der Stasi-Auflösung mußte der sich eine neue Betätigung suchen. Immer schön archivieren, das können sie!" Der Mann macht nicht den Eindruck, als würde er sich schützend vor einen Ostdeutschen stellen, wenn dieser in seiner Anwesenheit von Mixheads geschlagen würde. Diese Haltung scheint bezeichnend für die Ignoranz oder gar das Wohlwollen, mit denen viele Vertreter der Gesellschaft diese neue Bewegung betrachten.
In Deutschland gibt es - als hätten wir nicht schon genug davon - also ein neues Problem. Nach mittlerweile zehn Jahren Deutscher Einheit haben sich die Menschen aus den beiden Teilen des Landes nicht angenähert, sich nicht verstehen und geschweige denn lieben gelernt. Natürlich gibt es einige Ausnahmen, aber auf der Straße wird immer mehr eine andere Sprache gesprochen, die primitivste, die Menschen überhaupt als Ausdrucksmittel haben: pure Gewalt. Der Westen hat sich an den rechtsextremen Schlägern in der ostdeutschen Provinz ein schlechtes Beispiel genommen und hat nun in Form der Mixheads seine eigene Jugendkrise. Quo vadis, Germania?
In den Medien spielt das Thema noch keine Rolle, die Polizei belächelt es, weist aber auch hinter vorgehaltener Hand auf "eine gewisse Dunkelziffer" hin. Aber auf den Straßen Berlins hat es sich herumgesprochen - es gibt eine neue Tendenz proletarischer Gewalttätigkeit: die Ostländerfeindlichkeit. In den letzten vier Monaten ereigneten sich im Westen der Stadt über zwanzig gewalttätige Straftaten gegen Bürger aus den neuen Bundesländern oder Menschen, die für solche gehalten wurden.
Eine offizielle Chronik über diese Ereignisse gibt es nicht, aber der Major, wie sie den arbeitslosen Schlosser Detlev Manske hier "in der Platte" nennen, hat sie alle im Kopf. Seine Telefonnummer steht unter einer Annonce, die täglich im größten Boulevardblatt des Berliner Ostens geschaltet ist. In der Anzeige werden Ostdeutsche, die von gewalttätigen Jugendlichen im Westteil der Stadt schikaniert oder angegriffen worden sind, dazu aufgefordert, die entsprechenden Vorfälle an Manske zu melden; im Gegenzug verspricht dieser eine psychologische Nachbetreuung. Mandy ist schon zum zweiten Mal beim Major, diesmal ist ihr "so direkt nichts" passiert, doch sie fühlte sich beim Fahrradfahren durch den Innenstadtbezirk Charlottenburg "irgendwie beobachtet und gejagt". An einer Ampel, erzählt Mandy, hätte ihr ein Autofahrer durch das herunter gekurbelte Seitenfenster gesagt: "Na, wie fühlt man sich als Sachse? He?" Mandy kann sich nicht erklären, woher diese Leute wissen, daß sie aus Mitteldeutschland käme, wie sie es ausdrückt. Manske hat dafür seine eigene Theorie: "Dit iss ja nüscht Ethnölogisches. Die gehen ooch nürr nochm wie de ussschaust. Weeßte von den Wangenknochen her, der Münd, die Öhrn. Da iss doch jeeda Hellblonde mit kurzen Haaren ein Ossi bei den Schweinen!" echauffiert sich der Major. "S´wird ja ooch imma schlümma, na? Merr hoben schön die Knie jeschlockert, wie isch mit meene Fomilie neulüsch üban Ku´damm jeloofen bin. Die Blicke von denen. Das sind doch eh fast nühur von die Ohslänner!"
Tatsächlich nimmt die Gewalt gerade gegen blonde Sachsen in den letzten Monaten immens zu. Manske freut sich, daß die Medien endlich auch auf dieses Thema zu sprechen kommen. "Immer nur, wenn die Türken oder Araber oder wasweißichwer was aufs Maul kriegen, da ist das Geschrei groß. Das kann doch aber nicht sein. Immerhin sind wir doch Deutsche!" empört sich der Major, dessen Sächsisch inzwischen eine Intensität erreicht hat, die sich graphisch nicht mehr realisieren läßt. Mandy klopft ihm auf die Schulter und verläßt die zwei Zimmer große Wohnung Manskes wieder. Sie hat sich scheinbar beruhigt. Gelegenheit für Manske, etwas über die Fälle ostländerfeindlicher Gewalt zu erzählen, von denen er in den letzten Monaten gehört hat: "Der bisher dramatischste Zwischenfall ereignete sich im Spätsommer in Wedding, als zwei Jungs hier aus Hellersdorf von einer Gruppe Westberliner Jugendlicher angegriffen wurden. Die beiden Jungs wurden übelst vermöbelt, der eine von ihnen hat bis heute Sehstörungen." Die Frage, warum sie zusammengeschlagen wurden, kann Manske auch nicht beantworten, er kennt aber das Lager, aus dem die Gewalttäter kamen: "Die Jungs haben erzählt, daß die Täter die blau-roten Jacken anhatten, mit dem Apfelaufnäher, und zu weite Hosen. Das waren mit Sicherheit Mixheads!"
Manske phantasiert nicht. In einigen Teilen der Westbezirke gibt es tatsächlich Jugendliche, die sich "Mixheads" nennen, eine Hälfe des Kopfes kahlgeschoren haben und auf der anderen lange Haare tragen. Sie sind die radikale Spitze einer ostländerfeindlichen Stimmung, die sich schon seit Jahren unter vielen Westdeutschen breitgemacht hat. Mixheads sind für eine heterogene Gesellschaft, für Schwule, Behinderte, Ausländer als gleichberechtigte Gruppen und gegen intolerante Ostdeutsche. Das Schlimme an den Mixheads ist, daß sie sich vor ihren Gewalttaten nicht die Mühe machen, herauszufinden, ob die Opfer wirklich Schläge verdient haben. Noch schlimmer allerdings ist die Tatsache an sich, daß sie brutal vorgehen.
"Mit 14 Stichen mußte Falk Heidrich genähnt werden, nur weil er so ein anatolisches Muttchen im Supermarkt beim Klauen erwischt hat. Dafür haben ihm diese Verbrecher das Auge eingeschlagen. Die Frau hat alles in eine Tüte gesteckt, statt sich wie ein normaler Mensch einen Einkaufswagen zu nehmen. Da sagt ihm die Olle noch, daß sie kein Markstück für den Einkaufswagen hatte, da frag ich Sie, wie soll sie dann den Einkauf bezahlen? So sind sie, unsere lieben ausländischen Mitbürger. Das stelle man sich mal vor: Dafür, daß er solche Zustände aufdeckt, wird er zusammengeschlagen, in welchem Land leben wir eigentlich? Falk hat schon gesagt, den sieht Schöneberg nicht mehr." Schöneberg ist auch ein Westbezirk und zudem eine Hochburg von Mixheads. Sie treffen sich in konspirativen Kneipen, in denen vornehmlich jamaikanische Reggae-Musik oder Straight-Edge-Hardcore läuft. Im Gegensatz zu anderen Extremisten fehlt den Mixheads allerdings eine parteiliche Organisation. Dieses Umstand findet nicht nur Manske positiv, denn so fehlt den Halbglatzen das Geld für größer angelegte Aktionen gegen Ostdeutsche.
Standortwechsel. Vom äußersten Osten Berlins ins Zentrum, in die Akazienstraße in Berlin- Schöneberg. An einer Häuserwand lehnen zwei Mixheads. David und Francis seien ihre Namen, verraten sie. Sie verkaufen ostländerfeindliches Propagandamaterial wie Stadtpläne, in denen die Mauer wieder eingezeichnet ist und T- Shirts, auf denen "Sachsen raus!" steht. Die beiden sind vielleicht zwanzig Jahre alt und lachen permanent. Man sieht ihnen ihre Gefährlichkeit nicht an; sie wirken, als wären sie noch Pennäler. Von der Teilung des Landes dürften sie nicht mehr viel mitbekommen haben. Auf Nachfragen, ob es die Devotionalien auch in einem Ladengeschäft zu kaufen gäbe, erklärt David: "Nicht so direkt! Verstehste, das ist ja nicht ganz unproblematisch. Von wegen Staatsschutz, Racheakte." Wofür sich Leute rächen wollten, will keiner der beiden beantworten, das wisse man eben oder nicht. Und auf die Frage, warum sie so seien, antwortet David: "Wie sind wir denn? Bewegt eure Journalistenärsche zurück in den Scheißosten!"
Diese Reaktion ist nur allzu verständlich, haben die Mixheads doch große Angst davor, ins Visier der Medienbranche zu gelangen. Ihre Chancen seien größer, wenn sie unbemerkt blieben, erklärt Francis zum Abschied und gibt einem Passanten ein blaurotes Flugblatt. "Alle Ausländer nach Westdeutschland!" steht darauf geschrieben und ein Termin bei einem Bundestagsabgeordneten des Bezirks. Ein paar Straßen weiter liegt das Büro dieses Abgeordneten, der weder namentlich noch über seine Parteizugehörigkeit genannt werden will. Er erklärt einen der Hauptpläne der Mixhead-Bewegung: "Die Apfelstrategie - daher auch das Logo der Aktivisten. Wir wollen die Ostdeutschen nur noch unter ihresgleichen leben lassen, damit die Ausländerfeindlichkeit endgültig ad absurdum geführt wird", beschreibt der Politiker die diffusen Ideen einer Gruppe gewaltbereiter Chaoten. Von ihren brutalen Straftaten will der Volksvertreter nichts wissen: "Glauben Sie nicht, was Ihnen die Ostler erzählen. Die wollen doch nur von den Medien hofiert werden. Kann sein, daß da mal ein paar häßliche Worte gefallen sind, aber mehr auch nicht." An die Ereignisse, über die Manske berichtet hat, glaubt der aus Moers/Nordrhein-Westfalen stammende Bundestagsabgeordnete nicht. "Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum der den Spitznamen 'Major' erhalten hat? Nach der Stasi-Auflösung mußte der sich eine neue Betätigung suchen. Immer schön archivieren, das können sie!" Der Mann macht nicht den Eindruck, als würde er sich schützend vor einen Ostdeutschen stellen, wenn dieser in seiner Anwesenheit von Mixheads geschlagen würde. Diese Haltung scheint bezeichnend für die Ignoranz oder gar das Wohlwollen, mit denen viele Vertreter der Gesellschaft diese neue Bewegung betrachten.
In Deutschland gibt es - als hätten wir nicht schon genug davon - also ein neues Problem. Nach mittlerweile zehn Jahren Deutscher Einheit haben sich die Menschen aus den beiden Teilen des Landes nicht angenähert, sich nicht verstehen und geschweige denn lieben gelernt. Natürlich gibt es einige Ausnahmen, aber auf der Straße wird immer mehr eine andere Sprache gesprochen, die primitivste, die Menschen überhaupt als Ausdrucksmittel haben: pure Gewalt. Der Westen hat sich an den rechtsextremen Schlägern in der ostdeutschen Provinz ein schlechtes Beispiel genommen und hat nun in Form der Mixheads seine eigene Jugendkrise. Quo vadis, Germania?
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Faction: Geschäftsideen. Geschmack verkehrt.
herr denes, 20:49Uhr
Da die letzten Interviews dieser Rubrik stets in gastronomischen Einrichtungen geführt wurden, hielt ich es für angebracht, in dieser Folge ein höchst seltsames Lokal vorzustellen - auch wenn dies ein wenig aus der Reihe ungewöhnlicher Berufsporträts herausfällt. Legitim ist es trotzdem, weil hinter dem Aachener Restaurant, das Sie im Folgenden ein wenig näher kennenlernen werden, die Idee eines Mannes steht, der schon seit Jahren ein Faible für unkonventionelle Existenzgründungen zu haben scheint.
Ramon Schulte erwartet mich an diesem Tag in seinem Lokal "Invers" und trägt eines dieser neumodischen "Innen-nach-außen"-Hemden, bei denen die Nähte auf der Oberfläche des Stoffes liegen. Er ist ein großer, hagerer Mann mit einer auffälligen, blaugerahmten Brille, und hat einen starren Blick, ungefähr so wie Christoph Daum oder Vera
Russwurm. Na ja, die Russwurm ist in diesem Zusammenhang vielleicht doch etwas unpassend, weil sein Blick nicht ganz so glubschäugig ist - aber Schultes Augen drücken ungefähr soviel Wärme aus wie die der Showmasterin. Nachdem ich das "Invers" betreten habe, bittet er mich, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, bei dem die Lehne nicht den Rücken, sondern den Bauch stützt.
FAKTENFIKTION: Hier ist einiges anders als in den Restaurants, die ich bisher aufgesucht habe.
Schulte: Si Senor! Das liegen Sie mal verdammt richtig.
FAKTENFIKTION: Ihr Lokal heißt "Invers" - vielleicht, weil hier alles umgekehrt ist?
Schulte: Yo! Wie Ihr Stuhl!
FAKTENFIKTION: Lassen Sie mich das einmal kurz durchspielen. Man kommt also hierher, um zu essenÖ
Schulte: Ja, aber zuerst einmal muß man zahlen.
FAKTENFIKTION: Ist das nicht sehr unhöflich? Kassieren, bevor man etwas geleistet hat?
Schulte: Nope! Das ist das Konzept. Außerdem fühlen sich die Gäste wohl, wenn sie wissen, wieviel sie der Genuß kostet. Und die Ober wissen gleich, wie gut das Trinkgeld war.
FAKTENFIKTION: Ach, Trinkgeld muß man auch geben?
Schulte: Muß, muß? Man muß nicht, aber es gehört sich doch.
FAKTENFIKTION: Und woher weiß der Gast, wie hoch seine Rechnung sein wird?
Schulte: Meistens geben die Gäste bestimmte Pauschalbeträge. Zum Beispiel 80 Mark (knapp öS 600,-; Anm. d Red.) für zwei Personen. Davor noch etwas Trinkgeld. Und dann schauen die Leute, wie weit sie damit kommen.
FAKTENFIKTION: Verstehe. Und wenn die Gäste nun sehr knausrig sind?
Schulte: Dann kriegen sie einen Gang weniger oder kleinere Portionen!
FAKTENFIKTION: Was passiert denn dann nach dem Bezahlen?
Schulte: Aber, Senor - denken Sie doch einfach mit!
FAKTENFIKTION: Zuerst kommt wahrscheinlich das Dessert auf den Tisch.
Schulte: Gar nicht schlecht. Es ist aber noch ein wenig mehr. Die Gäste werden von den Kellnern gefragt, ob es geschmeckt haben wird. Und da können unsere Kunden durch bestimmte Sätze beeinflussen, was sie bekommen. Dann lassen die Ober ihnen Zeit, um eine Zigarette zu rauchen.
FAKTENFIKTION: Das ist ja perfekt umgedreht. Erzählen Sie weiter!
Schulte: Tja, Gäste, die ein gutes Trinkgeld gegeben haben, kriegen dann erst einmal einen Digestiv oder einen Espresso "aufs Haus". Und dann kommt, wie Sie eben schon sagten, die Nachspeise.
FAKTENFIKTION: Da fängt dann so ein Mahl bei Ihnen mit Sorbet oder Mousse an?
Schulte: So ist es. Und natürlich mit den Getränken. Die sind ja genau wie bei einem normalen Restaurant.
FAKTENFIKTION: Bis auf die Gläser anscheinend, wie ich hier sehe.
Schulte (lacht): Naja, das mit dem Bierglas für den Wein ist ein neuer Versuch. Ich finde das zwar ein wenig affig, aber komischerweise sind die Gäste davon begeistert.
FAKTENFIKTION: Bleiben wir noch kurz beim Ablauf. Nach dem Nachtisch kommt was...?
Schulte: Die Hauptspeise natürlich. Erst die zusätzlichen Beilagen und dann das eigentliche Hauptgericht. Dann folgt meist der Salat und, wenn die Gäste vorher genug bezahlt haben, noch eine Suppe oder ein Nudelgericht.
FAKTENFIKTION: Pfui! Ihren Kunden muß sich da doch der Magen umdrehen. Kommt da irgend jemand wieder?
Schulte: Wir sind jeden Abend ausgebucht. Täglich ist die Hütte voll, sogar unter der Woche. Und das "Invers" hat viele Stammkunden.
FAKTENFIKTION: Wissen Sie, ich frage auch deswegen, weil ich schon länger vorhatte, Sie einmal näher vorzustellen. Das "Invers" ist ja nicht Ihr erster merkwürdiger Neuanfang, Herr Schulte.
Schulte: Ich weiß, worauf Sie anspielen. Aber das hat nichts mit meinem Lokal zu tun!
FAKTENFIKTION: Erzählen Sie doch mal von Ihrem Friseursalon!
Schulte: Das war eine tolle Sache für die Gäste. Das "Studio Diametral". Die Kunden kamen unzufrieden vom Friseur, und wir haben etwas aus ihnen gemacht.
FAKTENFIKTION: Vor allen Dingen Geld!
Schulte: Das ist jetzt aber doch sehr polemisch. Ich habe spießigen Leuten zu einer tollen Frisur verholfen. Daß ich dafür Geld genommen habe, ist doch nicht verwerflich. Ich bin schließlich nicht die Caritas.
FAKTENFIKTION: Sie haben den Leuten zu einer Tolle verholfen, muß es eher heißen. Damals zerzausten Sie den Kunden doch ohne Sinn, Verstand und Ausbildung die Haare.
Schulte: Was soll´s? Man hat das "Studio Diametral" ja ohnehin geschlossen.
FAKTENFIKTION: Ich kann mich aber noch an ein Kreditinstitut namens "Antipoden" erinnern, mit dem Sie Ihre umgedrehten Geschäftspraktiken auch schon ausprobierten.
Schulte: Ich möchte das Gespräch jetzt lieber beenden.
FAKTENFIKTION: Tja, dann danke ich Ihnen und wünsche noch viel Erfolg mit diesem Restaurant.
Struck: Danke und herzlich willkommen im "Invers"!
Ramon Schulte erwartet mich an diesem Tag in seinem Lokal "Invers" und trägt eines dieser neumodischen "Innen-nach-außen"-Hemden, bei denen die Nähte auf der Oberfläche des Stoffes liegen. Er ist ein großer, hagerer Mann mit einer auffälligen, blaugerahmten Brille, und hat einen starren Blick, ungefähr so wie Christoph Daum oder Vera
Russwurm. Na ja, die Russwurm ist in diesem Zusammenhang vielleicht doch etwas unpassend, weil sein Blick nicht ganz so glubschäugig ist - aber Schultes Augen drücken ungefähr soviel Wärme aus wie die der Showmasterin. Nachdem ich das "Invers" betreten habe, bittet er mich, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, bei dem die Lehne nicht den Rücken, sondern den Bauch stützt.
FAKTENFIKTION: Hier ist einiges anders als in den Restaurants, die ich bisher aufgesucht habe.
Schulte: Si Senor! Das liegen Sie mal verdammt richtig.
FAKTENFIKTION: Ihr Lokal heißt "Invers" - vielleicht, weil hier alles umgekehrt ist?
Schulte: Yo! Wie Ihr Stuhl!
FAKTENFIKTION: Lassen Sie mich das einmal kurz durchspielen. Man kommt also hierher, um zu essenÖ
Schulte: Ja, aber zuerst einmal muß man zahlen.
FAKTENFIKTION: Ist das nicht sehr unhöflich? Kassieren, bevor man etwas geleistet hat?
Schulte: Nope! Das ist das Konzept. Außerdem fühlen sich die Gäste wohl, wenn sie wissen, wieviel sie der Genuß kostet. Und die Ober wissen gleich, wie gut das Trinkgeld war.
FAKTENFIKTION: Ach, Trinkgeld muß man auch geben?
Schulte: Muß, muß? Man muß nicht, aber es gehört sich doch.
FAKTENFIKTION: Und woher weiß der Gast, wie hoch seine Rechnung sein wird?
Schulte: Meistens geben die Gäste bestimmte Pauschalbeträge. Zum Beispiel 80 Mark (knapp öS 600,-; Anm. d Red.) für zwei Personen. Davor noch etwas Trinkgeld. Und dann schauen die Leute, wie weit sie damit kommen.
FAKTENFIKTION: Verstehe. Und wenn die Gäste nun sehr knausrig sind?
Schulte: Dann kriegen sie einen Gang weniger oder kleinere Portionen!
FAKTENFIKTION: Was passiert denn dann nach dem Bezahlen?
Schulte: Aber, Senor - denken Sie doch einfach mit!
FAKTENFIKTION: Zuerst kommt wahrscheinlich das Dessert auf den Tisch.
Schulte: Gar nicht schlecht. Es ist aber noch ein wenig mehr. Die Gäste werden von den Kellnern gefragt, ob es geschmeckt haben wird. Und da können unsere Kunden durch bestimmte Sätze beeinflussen, was sie bekommen. Dann lassen die Ober ihnen Zeit, um eine Zigarette zu rauchen.
FAKTENFIKTION: Das ist ja perfekt umgedreht. Erzählen Sie weiter!
Schulte: Tja, Gäste, die ein gutes Trinkgeld gegeben haben, kriegen dann erst einmal einen Digestiv oder einen Espresso "aufs Haus". Und dann kommt, wie Sie eben schon sagten, die Nachspeise.
FAKTENFIKTION: Da fängt dann so ein Mahl bei Ihnen mit Sorbet oder Mousse an?
Schulte: So ist es. Und natürlich mit den Getränken. Die sind ja genau wie bei einem normalen Restaurant.
FAKTENFIKTION: Bis auf die Gläser anscheinend, wie ich hier sehe.
Schulte (lacht): Naja, das mit dem Bierglas für den Wein ist ein neuer Versuch. Ich finde das zwar ein wenig affig, aber komischerweise sind die Gäste davon begeistert.
FAKTENFIKTION: Bleiben wir noch kurz beim Ablauf. Nach dem Nachtisch kommt was...?
Schulte: Die Hauptspeise natürlich. Erst die zusätzlichen Beilagen und dann das eigentliche Hauptgericht. Dann folgt meist der Salat und, wenn die Gäste vorher genug bezahlt haben, noch eine Suppe oder ein Nudelgericht.
FAKTENFIKTION: Pfui! Ihren Kunden muß sich da doch der Magen umdrehen. Kommt da irgend jemand wieder?
Schulte: Wir sind jeden Abend ausgebucht. Täglich ist die Hütte voll, sogar unter der Woche. Und das "Invers" hat viele Stammkunden.
FAKTENFIKTION: Wissen Sie, ich frage auch deswegen, weil ich schon länger vorhatte, Sie einmal näher vorzustellen. Das "Invers" ist ja nicht Ihr erster merkwürdiger Neuanfang, Herr Schulte.
Schulte: Ich weiß, worauf Sie anspielen. Aber das hat nichts mit meinem Lokal zu tun!
FAKTENFIKTION: Erzählen Sie doch mal von Ihrem Friseursalon!
Schulte: Das war eine tolle Sache für die Gäste. Das "Studio Diametral". Die Kunden kamen unzufrieden vom Friseur, und wir haben etwas aus ihnen gemacht.
FAKTENFIKTION: Vor allen Dingen Geld!
Schulte: Das ist jetzt aber doch sehr polemisch. Ich habe spießigen Leuten zu einer tollen Frisur verholfen. Daß ich dafür Geld genommen habe, ist doch nicht verwerflich. Ich bin schließlich nicht die Caritas.
FAKTENFIKTION: Sie haben den Leuten zu einer Tolle verholfen, muß es eher heißen. Damals zerzausten Sie den Kunden doch ohne Sinn, Verstand und Ausbildung die Haare.
Schulte: Was soll´s? Man hat das "Studio Diametral" ja ohnehin geschlossen.
FAKTENFIKTION: Ich kann mich aber noch an ein Kreditinstitut namens "Antipoden" erinnern, mit dem Sie Ihre umgedrehten Geschäftspraktiken auch schon ausprobierten.
Schulte: Ich möchte das Gespräch jetzt lieber beenden.
FAKTENFIKTION: Tja, dann danke ich Ihnen und wünsche noch viel Erfolg mit diesem Restaurant.
Struck: Danke und herzlich willkommen im "Invers"!
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Faction: Fahrkarten für's Liebesglück.
herr denes, 20:46Uhr
Warum denkt man bei Schwaben bloß immer nur an Spätzle, Spießer und Spielverderber? Da muß es doch mehr geben...
FAKTENFIKTION: Wie lange fährt man von Biberach nach Ulm, Jockle?
Jockle: 25 Minuten.
FAKTENFIKTION: Und das reicht?
Jockle: Manchmal ja, manchmal nein. Wenn ich auf Partnersuche bin, wie man so sagt, nehm´ ich auch gern die Strecke nach Lindau. Da am Bodensee sind eh die besseren Mädels.
FAKTENFIKTION: Wieviel Zeit haben Sie auf der Lindau-Verbindung?
Jockle: Genug - aber das kommt natürlich teurer. Dafür hab´ ich 75 Minuten, also eine und dann noch eine Viertelstunde. Da ist die Chance größer. Und ich habe ohnehin eine Jahresnetzkarte für den Abschnitt von Ulm nach Lindau. Da liegt ja Biberach mittendrin.
FAKTENFIKTION: Das mit der Zeit dürfte jetzt klar sein. Aber wie läuft denn das Kennenlernen ab?
Jockle: Ich fahre also mit dem Regionalzug los und habe mein Monatsticket in der Tasche und dann immer noch einen anderen Fahrschein. Das ist nämlich so bei uns: Da direkt drin im Zug selbst kannst du nix mehr lösen. Kommt dann eine Kontrolle und du hast kein Ticket, mußt was zahlen.
FAKTENFIKTION: Erhöhtes Beförderungsentgeld?
Jockle: Freile!
FAKTENFIKTION: Wie hoch ist das?
Jockle: Das sind 40 Euro, plus der Preis für des reguläre Ticket.
FAKTENFIKTION: Und was hat das mit der Partnersuche zu tun?
Jockle: Ja, also ich setze mich immer gegen Fahrtrichtung auf so einen Doppelsitzer, ganz am Ende vom Großraumwagen. Da hat man zwei Waggons im Blick. Wenn dann der Schaffner kommt, läuft der immer in Fahrtrichtung. Ich sehe dann also, wen er kontrolliert und wer ein Ticket hat.
FAKTENFIKTION: Interessant. Und weiter?
Jockle: Manchmal sehe ich dann Leute ohne Ticket, und dann springe ich auf. Ich gehe zum Schaffner und sage ihm, daß das meine Freundin ist und wir hätten uns gestritten. Ich zeige ihm dann meine Monatskarte und den zusätzlichen Fahrschein.
FAKTENFIKTION: Das war zu erwarten. Wie reagieren die Schwarzfahrerinnen?
Jockle: Das ist mein Problem. Mal so, mal so. Was ein gescheites Mädel ist, die stimmt mir zu und tut dann vor dem Schaffner so, als hätten wir uns echt gestritten. Die sagt dann: "Ja, genau. Gib mir meinen Fahrschein und zieh ab!"
FAKTENFIKTION: Das ist nicht gescheit, sondern unverschämt!
Jockle: Sehen Sie, das denke ich auch. Aber ich bin ein einfacher Mann. Wenn das Mädel denkt: "So ein Typ, der will m i c h anbaggern?", dann kann ich der das ja auch nicht übelnehmen, net?
FAKTENFIKTION: Wie hoch ist denn die "Durchfallquote"?
Jockle: 97 Prozent - ich hab´ das mit Hilfe eines Freundes mal ausgerechnet.
FAKTENFIKTION: Heißt das, daß es schon dreimal geklappt hat?
Jockle: Nicht direkt.
FAKTENFIKTION: Sondern?
Jockle: Nun ja. Freile hätte es dreimal geklappt, aber bei uns, hier in der Region, da fahren nicht so viele Frauen schwarz.
FAKTENFIKTION: Nun mal Butter bei die Fische! Wie viele Frauen haben Sie auf diese Weise kennengelernt?
Jockle: Jo, kennengelernt habe ich doch einige. Bestimmt an die zwanzig.
FAKTENFIKTION: Und wie viele ... na ja, Sie wissen schon?
Jockle: Das kann man im Nachhinein ganz schwer sagen. Letztendlich liegt es ja an mir. Ich mein´, über die Geschichte mit dem zweiten Fahrschein kommt man ins Gespräch. Dann trifft man sich vielleicht mal zwanglos auf ein Gläschen Erdbeerbowle. Und...
FAKTENFIKTION: Wie viele?
Jockle: Zwei. Eigentlich nur eine.
FAKTENFIKTION: Überlegen Sie sich vielleicht schon eine neue Masche?
Jockle: Nein, überhaupt nicht. Ich denke stark über einen Umzug in ein Ballungszentrum nach. Da sind mehr Schwarzfahrer. Dort, das ist dort auch ein ganz anderes Klima. Da wird auch die Inspiration geschätzt.
FAKTENFIKTION: Sie sind momentan Single?
Jockle: Freile!
FAKTENFIKTION: Wie lange fährt man von Biberach nach Ulm, Jockle?
Jockle: 25 Minuten.
FAKTENFIKTION: Und das reicht?
Jockle: Manchmal ja, manchmal nein. Wenn ich auf Partnersuche bin, wie man so sagt, nehm´ ich auch gern die Strecke nach Lindau. Da am Bodensee sind eh die besseren Mädels.
FAKTENFIKTION: Wieviel Zeit haben Sie auf der Lindau-Verbindung?
Jockle: Genug - aber das kommt natürlich teurer. Dafür hab´ ich 75 Minuten, also eine und dann noch eine Viertelstunde. Da ist die Chance größer. Und ich habe ohnehin eine Jahresnetzkarte für den Abschnitt von Ulm nach Lindau. Da liegt ja Biberach mittendrin.
FAKTENFIKTION: Das mit der Zeit dürfte jetzt klar sein. Aber wie läuft denn das Kennenlernen ab?
Jockle: Ich fahre also mit dem Regionalzug los und habe mein Monatsticket in der Tasche und dann immer noch einen anderen Fahrschein. Das ist nämlich so bei uns: Da direkt drin im Zug selbst kannst du nix mehr lösen. Kommt dann eine Kontrolle und du hast kein Ticket, mußt was zahlen.
FAKTENFIKTION: Erhöhtes Beförderungsentgeld?
Jockle: Freile!
FAKTENFIKTION: Wie hoch ist das?
Jockle: Das sind 40 Euro, plus der Preis für des reguläre Ticket.
FAKTENFIKTION: Und was hat das mit der Partnersuche zu tun?
Jockle: Ja, also ich setze mich immer gegen Fahrtrichtung auf so einen Doppelsitzer, ganz am Ende vom Großraumwagen. Da hat man zwei Waggons im Blick. Wenn dann der Schaffner kommt, läuft der immer in Fahrtrichtung. Ich sehe dann also, wen er kontrolliert und wer ein Ticket hat.
FAKTENFIKTION: Interessant. Und weiter?
Jockle: Manchmal sehe ich dann Leute ohne Ticket, und dann springe ich auf. Ich gehe zum Schaffner und sage ihm, daß das meine Freundin ist und wir hätten uns gestritten. Ich zeige ihm dann meine Monatskarte und den zusätzlichen Fahrschein.
FAKTENFIKTION: Das war zu erwarten. Wie reagieren die Schwarzfahrerinnen?
Jockle: Das ist mein Problem. Mal so, mal so. Was ein gescheites Mädel ist, die stimmt mir zu und tut dann vor dem Schaffner so, als hätten wir uns echt gestritten. Die sagt dann: "Ja, genau. Gib mir meinen Fahrschein und zieh ab!"
FAKTENFIKTION: Das ist nicht gescheit, sondern unverschämt!
Jockle: Sehen Sie, das denke ich auch. Aber ich bin ein einfacher Mann. Wenn das Mädel denkt: "So ein Typ, der will m i c h anbaggern?", dann kann ich der das ja auch nicht übelnehmen, net?
FAKTENFIKTION: Wie hoch ist denn die "Durchfallquote"?
Jockle: 97 Prozent - ich hab´ das mit Hilfe eines Freundes mal ausgerechnet.
FAKTENFIKTION: Heißt das, daß es schon dreimal geklappt hat?
Jockle: Nicht direkt.
FAKTENFIKTION: Sondern?
Jockle: Nun ja. Freile hätte es dreimal geklappt, aber bei uns, hier in der Region, da fahren nicht so viele Frauen schwarz.
FAKTENFIKTION: Nun mal Butter bei die Fische! Wie viele Frauen haben Sie auf diese Weise kennengelernt?
Jockle: Jo, kennengelernt habe ich doch einige. Bestimmt an die zwanzig.
FAKTENFIKTION: Und wie viele ... na ja, Sie wissen schon?
Jockle: Das kann man im Nachhinein ganz schwer sagen. Letztendlich liegt es ja an mir. Ich mein´, über die Geschichte mit dem zweiten Fahrschein kommt man ins Gespräch. Dann trifft man sich vielleicht mal zwanglos auf ein Gläschen Erdbeerbowle. Und...
FAKTENFIKTION: Wie viele?
Jockle: Zwei. Eigentlich nur eine.
FAKTENFIKTION: Überlegen Sie sich vielleicht schon eine neue Masche?
Jockle: Nein, überhaupt nicht. Ich denke stark über einen Umzug in ein Ballungszentrum nach. Da sind mehr Schwarzfahrer. Dort, das ist dort auch ein ganz anderes Klima. Da wird auch die Inspiration geschätzt.
FAKTENFIKTION: Sie sind momentan Single?
Jockle: Freile!
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Faction: La selezione... [Rap-Kochbuch, Trendvorhersage,
herr denes, 20:41Uhr
Ab heute auf FaktenFiktion - The best of Faction. "Faction" ist der Name einer Rubrik mit fiktionalen Beiträgen, die ich einige Jahre lang im EVOLVER veröffentlicht habe.
Hier kommen einige fiktionale Nachrichten zum Auftakt:
.Gourmet-Gangsta
Rap und HipHop erfreuen sich bei den Teenies nach wie vor ungebrochener Beliebtheit. Dieser Umstand schlägt sich auch in wiederkehrenden hohen Charts-Plazierungen der einschlägigen Acts nieder. Einer dieser Pop-Promis ist LL Cool J, ganz nebenbei einer der Pioniere des Gangsta-Rap. Der hat kürzlich bei einem Vortrag an der Academy for Popular Music Research (APMR) in Boston über den Mangel an frischen, neuen Ideen in der auch von ihm gefüllten Musiksparte referiert: "Etwas wirklich Neues gab es seit fünf Jahren nicht mehr." Der Altmeister kritisierte nicht nur, sondern stellte auch gleich sein neues Projekt vor, das ohne Frage frischen Wind in die Szene der bösen Buben wehen wird. LL Cool J bringt im August dieses Jahres sein neues Album heraus, auf dem sich 14 gerappte Kochrezepte befinden werden. Die Tracklist mutet lecker an, finden sich doch Songtitel wie "Ghetto-Turkey à la Hollandaise" oder "I´ve Got Her Witta Halibut" wieder. Den Vogel schießt allerdings die erste Single ab - sie heißt "One Fork in My Knuckle of Pork". Guten Appetit.
.Rasieren ist passé
Frauen haben die Last des Kinderkriegens zu tragen, Männer müssen sich dagegen mindestens dreimal in der Woche rasieren. Am "Problem" der Schwangerschaft arbeitet die Gentechnik, doch die Sache mit dem Rasieren scheint bereits gelöst. Noch in diesem Jahr kommt eine neue Creme auf den Markt, die "Rasura" heißen und dem Mann das lästige Kürzen seines Bartwuchses ersparen soll. Das Wundermittel braucht nur jeden Morgen, gleich nach dem Aufstehen, auf die Stoppeln aufgetragen und nach einer halben Stunde mit warmem Wasser abgewaschen zu werden. Der amerikanische Hersteller weist in der Produktbeschreibung darauf hin, daß es sich nicht um eine gewöhnliche Enthaarungscreme handle, sondern um eine Art chemische Rasur, bei der die Stoppeln zersetzt würden, ohne daß die feine Haut des männlichen Gesichtes dabei Schaden erleide.
. Absehbare Trends
Es gibt Soziologen, die als Streetworker arbeiten und es gibt Soziologen, die Selbsthilfegruppen leiten. Marc Boschwil ist auch Soziologe, aber er beschäftigt sich lieber mit Trends und hat gerade seine Diplomarbeit mit dem Titel "Luhmann in Jeans" fertigstellt. Die größte Leistung des Studenten der Universität Göttingen ist dabei die Konstruktion einer Trenduhr für Modeerscheinungen, mit der man hinreichend genau das Wiederaufflammen bestimmter Stile vorhersagen kann. So sieht er für das Jahr 2006 in der Sommermode ein Crossover-Revival aus Flowerpower- und Clubstyle-Klamotten vorher. Wie der Titel seiner demnächst als Taschenbuch veröffentlichten Abschlußarbeit schon vermuten läßt, bedient er sich der Wellenmetapher aus Niklas Luhmanns Systemtheorie, die besagt, daß sich die Geschichte in ihrer Intensität wie eine Welle fortsetzt.
Hier kommen einige fiktionale Nachrichten zum Auftakt:
.Gourmet-Gangsta
Rap und HipHop erfreuen sich bei den Teenies nach wie vor ungebrochener Beliebtheit. Dieser Umstand schlägt sich auch in wiederkehrenden hohen Charts-Plazierungen der einschlägigen Acts nieder. Einer dieser Pop-Promis ist LL Cool J, ganz nebenbei einer der Pioniere des Gangsta-Rap. Der hat kürzlich bei einem Vortrag an der Academy for Popular Music Research (APMR) in Boston über den Mangel an frischen, neuen Ideen in der auch von ihm gefüllten Musiksparte referiert: "Etwas wirklich Neues gab es seit fünf Jahren nicht mehr." Der Altmeister kritisierte nicht nur, sondern stellte auch gleich sein neues Projekt vor, das ohne Frage frischen Wind in die Szene der bösen Buben wehen wird. LL Cool J bringt im August dieses Jahres sein neues Album heraus, auf dem sich 14 gerappte Kochrezepte befinden werden. Die Tracklist mutet lecker an, finden sich doch Songtitel wie "Ghetto-Turkey à la Hollandaise" oder "I´ve Got Her Witta Halibut" wieder. Den Vogel schießt allerdings die erste Single ab - sie heißt "One Fork in My Knuckle of Pork". Guten Appetit.
.Rasieren ist passé
Frauen haben die Last des Kinderkriegens zu tragen, Männer müssen sich dagegen mindestens dreimal in der Woche rasieren. Am "Problem" der Schwangerschaft arbeitet die Gentechnik, doch die Sache mit dem Rasieren scheint bereits gelöst. Noch in diesem Jahr kommt eine neue Creme auf den Markt, die "Rasura" heißen und dem Mann das lästige Kürzen seines Bartwuchses ersparen soll. Das Wundermittel braucht nur jeden Morgen, gleich nach dem Aufstehen, auf die Stoppeln aufgetragen und nach einer halben Stunde mit warmem Wasser abgewaschen zu werden. Der amerikanische Hersteller weist in der Produktbeschreibung darauf hin, daß es sich nicht um eine gewöhnliche Enthaarungscreme handle, sondern um eine Art chemische Rasur, bei der die Stoppeln zersetzt würden, ohne daß die feine Haut des männlichen Gesichtes dabei Schaden erleide.
. Absehbare Trends
Es gibt Soziologen, die als Streetworker arbeiten und es gibt Soziologen, die Selbsthilfegruppen leiten. Marc Boschwil ist auch Soziologe, aber er beschäftigt sich lieber mit Trends und hat gerade seine Diplomarbeit mit dem Titel "Luhmann in Jeans" fertigstellt. Die größte Leistung des Studenten der Universität Göttingen ist dabei die Konstruktion einer Trenduhr für Modeerscheinungen, mit der man hinreichend genau das Wiederaufflammen bestimmter Stile vorhersagen kann. So sieht er für das Jahr 2006 in der Sommermode ein Crossover-Revival aus Flowerpower- und Clubstyle-Klamotten vorher. Wie der Titel seiner demnächst als Taschenbuch veröffentlichten Abschlußarbeit schon vermuten läßt, bedient er sich der Wellenmetapher aus Niklas Luhmanns Systemtheorie, die besagt, daß sich die Geschichte in ihrer Intensität wie eine Welle fortsetzt.
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