... newer stories
Freitag, 13. Februar 2004
Faction: Das Rätsel von Neuenburg (2000)
herr denes, 00:37Uhr
Auf der Dorfstraße herrscht nicht viel Verkehr. Mit Schrittgeschwindigkeit biegt ein grün-gelber Traktor in einen Feldweg ein, ein junger Mann putzt die Fenster der Apotheke. Es ist Mittagszeit und auch im Saarland pflegt man, dann eine Ruhepause zu nehmen. Eine gute Gelegenheit zum Schauen. Auf der saftigsten Weide des kleinen Dorfes Neuenburg bei Kaiserslautern steht ein runder Holzschuppen, der gut fünf Meter hoch ist und kein Dach hat. Nähert man sich diesem ungewöhnlichen Bau tagsüber, dann wird man schon nach einigen Schritten von einem der mürrischen Ortsansässigen gestoppt. Jetzt scheint niemand aufzupassen, es ist an der Zeit, dass jemand das Rätsel von Neuenburg löst.
Der fensterlose Bau an der Homburger Straße hat schon ganze Meuten von Lokalreportern beschäftigt. Rudolf Ehrmann von der „Saarland Rundschau“ berichtet von einer „ungewöhnlichen Verschwiegenheit“ unter den sonst redseligen Dorfbewohnern. Er hat sich vor gut zwei Monaten eine Platzwunde am Hinterkopf bei dem Versuch zugezogen, den Schuppen zu begehen. „Das war die Bürgerwehr. Da arbeiten alle Männer des Dorfes“, erklärt Ehrmann. Der Schuppen ist vor einem halben Jahr aufgetaucht, von einem Tag auf den anderen. Beim Grundamt ist die Gemeinde als Besitzer eingetragen. Ehrmann selbst hat keine Idee, was es mit dem Schuppen auf sich hat. Dafür hat er festgestellt, dass seit der Bau 1999 fertig wurde, der finanzielle Wohlstand in Neuenburg spürbar zugenommen hätte. Immer wieder habe er den Bürgermeister und einige Gemeindevorsteher befragt, sie wollten aber nichts dazu sagen. Vor einigen Wochen hätten er und ein Fotograf eine Longitudinal-Beobachtung durchgeführt, dafür haben sie in ihrem Auto Tage und vier Nächte vor dem Holzbau verweilt. „Wir hatten uns extra genug zu essen und zu trinken mitgebracht, weil war ja wussten, dass uns von den Leuten aus dem Dorf niemand was verkaufen würde.“
Ein schneller Satz über den Schwachstromzaun und schon ist man auf der Wiese vor dem Schuppen. Ehrmann geht voraus. „Nicht zu oft umgucken“, empfiehlt er und tut es selbst doch viel zu häufig. Trotzdem hat niemand etwas bemerkt. Die Mittagszeit bietet hier offenbar wirklich die beste Gelegenheit zum Angriff. Die Kleinbildkamera, die Ehrmann auf Hüfthöhe hält, erkennt man nur am mechanischen Klang des Filmrades. „Hier haben die mir damals eins übergebraten“, sagt er hechelnd und setzt trotzdem oder gerade deswegen schnellen Schrittes den Weg zum Schuppen fort. Dort angelangt gilt es zunächst eine Schiebetür zu öffnen, was sich zunächst als schwieriges Hindernis erweist. Ehrmann zieht sein Multifunktionswerkzeug aus seiner Reporterweste und verschmälert dabei seine Augen, als sei er MacGuyver. Tatsächlich gelingt es ihm dann aber auch, die Tür zu öffnen und einen Blick in den Bau zu werfen. Er stößt einen nicht ohne weiteres zu definierenden Laut aus, der nach einer eigenen Observation geradezu schreit. Nichts. In dem Schuppen auf der saftigsten Wiese Neuenburg ist nichts. Wobei „nichts“ auch nicht ganz stimmt, die Weide ist dort so gut gewachsen wie drum herum auch. Hat sich das riskante Manöver nicht gelohnt.
Wenig später, auf der Fahrt nach Saarbrücken zeigt Ehrmann sich frustriert. Ratlos sei er. Obendrein hätte er, noch bis ins Mark schockiert, vergessen, den entscheidenden Anblick –den des Nichts eben- mit der eigens dafür erstandenen Kamera festzuhalten. Die Möglichkeit einer Fotomontage schließt er aus berufsethischen Gründen aus. „Des Scheißding konn misch ma am Asch lecke!“ Das sind vielleicht die feinen Unterschiede zwischen Lokalreporter und einem Autoren mit weiterem Blickwinkel. Ehrmann hat Mängel in der Kombinatorik.
Neuenburg hat 1998 einen saftigen Betrag aus einem EU-Regionalfonds erhalten. In einem Bericht der Wirtschafts- und Strukturkommission aus jenem Jahr ist diese Zahlung als Punkt 245 vermerkt. „Rettungshubschrauber für Gemeindestädte – Ambulanz für die Region“, lautet der dazugehörige Projektname. Für dieses Geld hatten sich seinerzeit der Bürgermeister und der Gemeinderat stark gemacht, entgegen den Empfehlungen der saarländischen Landesregierung. Hintergrund der Kontroverse war ein Streit zwischen der SPD-Landesregierung und dem CDU-Bürgermeister. In Saarbrücken ahnte man wohl bereits, dass ein Rettungshubschrauber nicht gerade zum notwendigsten Inventar der strukturschwachen Region gehörte.
Mit dem Regierungswechsel auf Landesebene geriet jedoch die scharfe Beobachtung der Neuenburger Millionen in den Hintergrund, eine Delegation von EU-Mitarbeitern bekam bei ihrem Besuch im Jahre 1999 lediglich den Rohbau des Holzschuppens zu sehen und das zur Leitzentrale umfunktionierte Büro eines Dorfbewohners. Zufrieden kehrten die spendablen Gäste nach Brüssel zurück, sie hinterließen einen Stapel von Bewertungsbögen, die die Neuenburger regelmäßig ausfüllen und zur Analyse an die entsprechende Abteilung des Regionalfonds schicken sollten.
12,8 Millionen Mark hat Neuenburg für einen Rettungshubschrauber bekommen, den die Gemeinde nie angeschafft hat. Nur ein Bruchteil dieser Summe wurde in zwei neue Notarztwagen investiert, in den verdächtigen Holzschuppen und in eine eigens dafür geschaffene Bürgerwehr. Der Rest, nach unseren Schätzungen etwa 8,5 Millionen Mark dürfte schön säuberlich unter den 4000 Bewohnern aufgeteilt worden sein. Das macht einen Schnitt von 10000 DM pro Neuenburger Familie.
Nur die Beweisführung gestaltet sich in diesem Falle schwierig. Mehrere Anrufe bei zuständigen Stellen der EU wurden nicht beantwortet, von den Neuenburger Provinzbetrüger äußert sich ohnehin keiner und in Saarbrücken will man „mit dieser ganzen Angelegenheit nicht mehr belästigt werden“. Rudolf Ehrmann schrieb seine Reportage über die Auflösung des Rätsels von Neuenburg. Veröffentlicht wurde sie jedoch nicht. Er vermutet, die Liaison der Tochter seines Chefredakteurs mit einem Holzlieferanten aus der Gegend von Neuenburg könnte etwas damit zu tun haben.
... link (0 Kommentare) ... comment
Faction: Stuckmode, Colapulver, Wartehallenflirt
herr denes, 00:33Uhr
.Stuck wird Trend 2004
Eine tolle Modeerscheinung kommt auf uns zu - genauer gesagt: das schrägste Revival der letzten 15 Jahre. Zumindest meinen das die Trend-Päpste von "Look-to-the-y" aus London. Die Modepropheten sprechen von der Rückkehr der Renaissance in Mode, Musik und Wohnungseinrichtung. Da kommt die neue Marktidee eines jungen Griechen ganz richtig. Stavros Nikolaidis hat soeben seine Diplomarbeit an der Münchner Kunsthochschule fertiggestellt und in dieser ein neues Verfahren entwickelt, mit dem aus Haaren und an Fuß- und Fingernägeln Stuck gemacht werden kann. Seine Linie umfaßt galante Rosetten, prunkvolle Ornamente und imponierende Löwen, die besonders als Frisur ihre einmalige Wirkung entfalten sollen. Nikolaidis sagte bei der Modenschau zur Präsentation seines neuen Verfahrens, daß er schon in den nächsten Wochen durch Europa ziehen würde, um talentierte Friseure in dieser Richtung fortzubilden. Er hoffe auf eine flächendeckende Verbreitung von Haar-Stukkateuren, damit auch in unseren Breitengraden das Renaissance-Revival seine richtige Abrundung fände. Zur technischen Realisierung der Kunstwerke aus menschlichen Zellen wollte der Modedesigner nicht viel sagen; er beschrieb allerdings das Verfahren zur Fixierung der klassischen Formen als äußerst umfangreich und versprach eine lange Haltbarkeit der Frisuren.
.Nie mehr Cola-Kästen schleppen!
Wer kein Auto hat und mit anderen Menschen zusammenlebt, kennt ein Problem, das jeden Sommer wieder auftaucht: die elende Schlepperei von Getränkekisten, Paletten mit Bierdosen und einzelnen Flaschen. Oftmals muß man Hunderte Meter zurücklegen, vom Supermarkt bis zum Haus und dann noch in den vierten Stock. Dem europäischen Vertrieb der Coca-Cola AG ist das Leiden der Konsumenten so zu Herzen gegangen, daß das Unternehmen in diesem Sommer erstmals die erfolgreichen Produkte Coke, Sprite, Fanta und Lift in Pulverform anbietet. Weil die Limonaden ohnehin zu 80 Prozent aus Wasser bestünden, könne der Endverbraucher sich die jeweiligen Getränke auch "frisch" zubereiten, sagte der Marketing-Direktor des Unternehmens, Jamie Dawn. Die Preise für den Trockensirup lägen in Bezug auf die herzustellende Menge deutlich unter denen für die bisherigen Flaschenversionen.
.Wartehallenflirt
Die Linzer fahren nicht genug mit Bussen und Straßenbahnen. Das findet nicht nur der Bürgermeister ärgerlich, sondern - natürlich - auch die Stadtwerke. Um mehr Einwohner der Stahlstadt zum öffentlichen Nahverkehr zu locken, startet im Frühjahr ein Versuch, der weltweit seinesgleichen sucht. In den Wartehallen der Bus- und Straßenbahnstationen werden in den nächsten Monaten Bildschirme, Lautsprecher, Mikrophone und Kameras installiert, über die die Wartenden angesprochen werden sollen. Nette Damen für männliche Wartende und charmante Herren für wartende Frauen sollen den ÖPNV-Nutzern die Zeit bis zum Eintreffen des gewünschten Verkehrsmittels verkürzen. "Über das Wetter, die Stadtentwicklung, aber auch über die Stahlwerke und den LASK kann geredet werden", erklärte der Abteilungsleiter "Produktentwicklung/Verkaufsförderung" der Linzer Stadtwerke. Auf die Frage, wie Pärchen und Familien angesprochen werden sollen, konnte er allerdings keine Antwort geben...
... link (0 Kommentare) ... comment
FaktenFiktion nach dem Reh-Lunch.
herr denes, 14:11Uhr
Das neue "FaktenFiktion" finde ich...
... link (0 Kommentare) ... comment
Faction: Der Scheinpoet (2000)
herr denes, 12:32Uhr
Böse Zungen behaupten, Frauen seien nur an Geld interessiert. Aber eigentlich suchen sie auf den Scheinen nur nach der wahren Liebe.
Manche Geschichten drohen an Formalitäten zu scheitern. Wenn man sie hört, ist man berührt, vielleicht läuft einem auch der oft zitierte Schauer über den Rücken, doch spätestens drei Gedanken weiter fragt man sich: "Moment mal, wo ist denn hier der Haken?"
Womit wir radikal das Thema wechseln: Banknoten und Münzen sind Eigentum des Staates, und jeder Mißbrauch ist strafbar. Wer mutwillig Geld zerstört, beschädigt oder zweckentfremdet, dem droht eine Zuchthausstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren. So steht es im Gesetz.
Ein 23jähriger Grieche aus Ostwestfalen in Deutschland führt diese beiden Erzählstränge in seiner Position und seinen Aufrißmethoden zusammen. Wir haben ihn interviewt.
FAKTENFIKTION: Georgios, hast du eine Freundin?
Georgios: Ich liebe alle Frauen, wirklich alle.
FAKTENFIKTION: Aber vielleicht eine ganz besonders?
Georgios: Momentan liebe ich neben meiner Mutter und meiner Oma noch mindestens fünf weitere Frauen.
FAKTENFIKTION: Das nennt man Polygamie.
Georgios: Nicht unbedingt. Ich habe keine feste Beziehung; es sind immer die Frauen, die auf mich zukommen. Ich habe keiner etwas versprochen. Mein Schicksal ist, daß ich alle Frauen liebe.
FAKTENFIKTION: Wie schaffst du das?
Georgios: Das ist angeboren. Ich sehe eine Frau und finde sie schön. Ich telefoniere mit einer...
FAKTENFIKTION: Nein, wir wollen gar nicht wissen, weshalb du angeblich alle Frauen liebst, sondern warum sie auf dich zukommen.
Georgios: Oh. Ich bin Dichter. Genauso erfolgreich wie Donna Leon.
FAKTENFIKTION: Man kennt deinen Namen (Nioplis; Anm. d. Red.) aber nicht aus den Bestsellerlisten.
Georgios: Aber viele Menschen haben schon einmal einen Text von mir gelesen. Ich publiziere auf Geldscheinen. Die Notenbank ist mein Verleger, die Banken sind die Buchhandlungen.
FAKTENFIKTION: Auf welchen Scheinen verewigst du Deine Texte?
Georgios: Bisher fast nur auf deutschen und griechischen. Aber zu meiner großen Freude kommt ja bald der Euro.
FAKTENFIKTION: Viel Platz bleibt da aber nicht zum Schreiben, zumindest bei kleineren Werten.
Georgios: Auf den deutschen Zehnmarkschein paßt ein Sonett mit Überschrift und meiner Signatur.
FAKTENFIKTION: Kommen wir zurück zu den Frauen. Was lockt sie denn nun an?
Georgios: Das habe ich doch schon gesagt. Die Texte auf den Geldscheinen.
FAKTENFIKTION: Und wovon handeln die?
Georgios: Sie sind einfach schön. Manche sagen, sie wären belanglos, zum Beispiel, weil sie nur von einer verwelkenden Rose in einem Garten erzählen. Oder weil sie altmodische Floskeln enthalten. Aber - ganz ehrlich: Mich interessiert auch nicht, was Männer dazu meinen.
FAKTENFIKTION: Kannst du ein Beispiel zitieren?
Georgios: Das möchte ich nicht. In Deutschland sind mittlerweile sechshundert Scheine in Umlauf, auf denen man Georgios´ Lyrik lesen kann.
FAKTENFIKTION: Verstehe - wahrscheinlich willst du Nachahmer vermeiden.
Georgios: Richtig. Die Wirkung meiner Texte beruht aber auch und vor allem auf der Situation, in der man sie liest. Zum Beispiel, wenn eine verlassene, traurige Frau sich eine romantische CD kauft, sie mit einem 50-Mark-Schein bezahlt und im Wechselgeld einen von mir beschrifteten Zehner findet.
FAKTENFIKTION: Das ist jetzt aber sehr hanebüchen!
Georgios: Keineswegs. Diese Situation hat schon mehrmals stattgefunden. Ich erhalte von meinen Verehrerinnen immer wieder Rückmeldungen, wie sie an den betreffenden Schein gekommen sind.
FAKTENFIKTION: Wie findet denn die Kommunikation statt?
Georgios: Anfangs stand meine Telefonnummer unter den Gedichten; das war aber wohl zu plump und mir selbst auch zu riskant.
FAKTENFIKTION: Und nun signierst du mit Deiner E-Mail-Adresse?
Georgios: amor@hotmail.com, genau! Das ist geheimnisvoller und schließt in unseren Zeiten keinen mehr aus.
FAKTENFIKTION: Du bist gewissermaßen ein High-Tech-Don Juan. Was sagen denn die Behörden dazu?
Georgios: Bisher hat sich noch niemand bei mir gemeldet. Aber ich tue ja auch keinem was Böses.
FAKTENFIKTION: Nur noch eine Frage: Wie kommst du an so viele Scheine?
Georgios: Ich schreibe einfach auf alle Geldscheine, die mir und meiner Familie unterkommen. Mein Onkel hat gerade an der Börse Erfolg gehabt - da erwarte ich schon meinen nächsten Bestseller!
FAKTENFIKTION: Wir sind gespannt!
Georgios: Danke.
... link (0 Kommentare) ... comment
Faction: Gelüftete Gesellschaft
herr denes, 12:28Uhr
Henkelmann dreht sich auf dem langen, von Neonröhren beleuchteten Gang zweimal um, als wolle er sicher sein, daß uns niemand folgt. Er kratzt sich am Nacken, scheint nervös und sagt: "Scheißmagen!" Als wir im Aufzug angelangt sind, der vermutlich selbst bei seiner Inbetriebnahme in den siebziger Jahren nicht allzu modern wirkte, drückt er - von einem tiefen Stoßseufzer begleitet - auf "K". Nicht besonders schnell gleiten wir in die Tiefe des Krankenversicherungsbaus, der vorbeifahrenden Autofahrern durch die sozialistisch wirkende Buchstabenkombination G E S U N D H E I T aus Leuchtstofflettern auf dem Dach auffällt. Im Keller angelangt, sind alle Schweißperlen auf der Stirn des etwas molligen Mittvierzigers verschwunden. "Kommen Sie mit!" sagt Henckelmann, weiterhin ohne eine Spur von Lockerheit.
Woran er arbeitet, hatte Henckelmann nur am Telefon beschrieben; es klang jedenfalls sehr nach einer Verschwörungstheorie. Er arbeitet in der Abteilung "Kundengesundheit" einer großen deutschen Krankenkasse. Bei dem neuen Programm, das vor allem in diesem Stahlbetonbau in Düsseldorfs Innenstadt entwickelt wird, soll es den Rauchern an den Kragen gehen. "Ans Portemonnaie wollen die uns!" erklärt er und grüßt den Reporter mit einer Zigarette im Mundwinkel. Hier unten treffen sich die verbliebenen Raucher des Gebäudes - laut Henckelmann sind es nicht mehr viele. Als er vor über zwanzig Jahren seine erste Stelle in diesem Gebäude hatte, habe er noch im Büro rauchen dürfen. Seit sein Arbeitgeber jedoch das Programm "ProfitGesund" intern vorbereite, würde Jagd auf die Raucher gemacht. Zuerst innerhalb der Peripherie: "Die Putzen, die Pförtner, das Kantinenpersonal - alle Raucher entlassen!"
Henckelmann lacht nach jeder seiner Äußerungen schnell, geradezu hysterisch. Seine Zigarette hat er verkrampft innerhalb von zwei Minuten zur Kippe minimiert. Er tut sich schwer damit, etwas über das Programm seiner Krankenkasse zu erzählen. Es gehe um Beitragssteigerungen auf ein Vielfaches ihrer jetzigen Höhe, um Zwangsausschlüsse für Raucher und ähnliches. "Die wollen sogar, daß Raucher dazu angehalten werden, bestimmte Buttons am Revers zu tragen, hahha." Er stockt in seinem Abschlußlachen, weil der Fahrstuhl sich wieder in Bewegung gesetzt hat. Schnell schiebt er unsere Kippen hinter einen losen Ziegel am Boden des Kellerraums, in dem wir stehen. Der Aufzug hält tatsächlich auf dieser Etage. Ein paar Schritte sind zu hören, sie müssen von einer Frau kommen. Henckelmann atmet auf. "Lina!" sagt er, als erkläre das alles.
Lina steht bei uns und genießt zwei Zigaretten gleichzeitig. "Eine ist ´ne leichte!" entschuldigt sie den merkwürdigen Anblick, den sie bietet. Henckelmann steckt sich auch noch eine an; er weiß schon, daß es die letzte für die nächsten fünf Stunden bleiben wird. Die beiden haben gegenüber von ihrer Raucherecke das Werbeplakat einer französischen Zigarettenmarke angebracht. "Mit Genehmigung des Hausmeisters, der ist Gelegenheitsraucher", sagt Lina. "Wo bleiben Jörg und Carsten?" will Henckelmann wissen. Sie sind die beiden anderen Raucher unter den 250 Mitarbeitern des Versicherungsunternehmens, die im Haus arbeiten. Lina weiß auch keine Antwort. Merkwürdigerweise hat sie ihre "Light" bereits aufgeraucht, während die stärkere Zigarette noch voll am Glühen ist.
Sie arbeitet im Controlling, und eigentlich müßte ihr Herz höher schlagen, wenn sie an "ProfitGesund" denkt. "Ich bin letzten Monat ausgetreten. 'Wegen meines Freundes', habe ich angegeben! Ich bin nicht mehr bei der Versicherung, für die ich arbeite." Henckelmann kann darauf nur mit einem hysterischen Lachen reagieren. Ihm ist alles egal, er will seinen Job behalten. Daß er nach der Einführung des neuen Konzepts etwa ein Drittel seines Monatslohns "abdrücken" müsse, um auch als Raucher noch krankenversichert zu bleiben, stört ihn nicht. "Nur die Akten muß ich behüten. Ich weiß aber, wer meinen Buchstaben bearbeitet. Die dürfen halt nichts an die Personalabteilung weitergeben."
Die versprochenen fünfzehn Minuten sind um; Henckelmann schickt Lina vor, damit sie nicht gemeinsam aus dem Keller kämen. "Das würde auffallen..." sagt sie. "Und auffallen wollen wir hier nun wirklich nicht!" vollenden die beiden den Satz mit dem kommenden Slogan zum Start von "ProfitGesund". Vor der hektischen Verabschiedung gibt Henckelmann der hübschen Lina noch einen Nikotinkaugummi, auf daß sie die zweite Hälfte ihres Arbeitstages gut überstehe.
... link (0 Kommentare) ... comment
Faction: Neuer Klangdieb-Walkman, Gayhund, "veredelter" Mac
herr denes, 12:24Uhr
.Klangdieb
Der japanische Unterhaltungsgerätehersteller Kotayama bringt noch im Spätherbst dieses Jahres ein neuartiges Gerät auf den Markt, mit dessen Hilfe man den Klang von Walk- und Discmans, die in der Umgebung des Betreibers laufen, abzweigen kann. Sitzt man beispielsweise in der Straßenbahn einem Musikhörenden gegenüber, so kann man auf den eigenen Headphones dasselbe hören wie der Mitfahrende. Dazu muß lediglich der Abschirmungswinkel des Geräts auf 90 Grad gestellt werden. Wie ein Sprecher der Herstellerfirma bekanntgab, soll das Gerät den Namen "Earcatcher" tragen und zunächst etwa öS 2100,- öS/DM 300,- kosten. Der "Earcatcher" sei sowohl in freien wie in geschlossenen Räumen zu betreiben und für jedes Signal empfänglich, das in einer Umgebung von bis zu 200 Metern ausgestrahlt werde. Allerdings könnten keine Gespräche abgehört werden, da der "Earcatcher" nur die Signale von Kopfhörern abtasten und wiedergeben könne. Zum Sinn des Gerätes sagte Kotayamas Sprecher, daß es das lästige Zusammenstellen eigener Musiktapes erspare und eine völlig neue Grundlage für das Knüpfen menschlicher Kontakte aller Art darstelle. Die Zulassungsbehörden in Österreich und Deutschland erklärten bereits im Vorfeld, daß sie den "Earcatcher" nicht zum Import freigeben würden, da das Gerät in seiner Verwendung gegen verfassungsmäßige Grundsätze verstoße.
.Gayhund
Daß Homosexualität in unserer Gesellschaft immer "normaler" wird und breitere Akzeptanz findet, ist eine erfreuliche und bereits bekannte Entwicklung. Relativ neu ist hingegen die Erkenntnis, daß sich auch unter unseren Haustieren Schwule und Lesben befinden. Der Stuttgarter Veterinärmediziner Johannes Buchner stellte kürzlich in seiner Diplomarbeit die Ergebnisse seiner Studie zu den sexuellen Neigungen von Hunden und Katzen vor. In der Tat finden sich in der Arbeit neben unspektakuläreren Thesen auch Befunde, die darauf hindeuten, daß es gleichgeschlechtliche Liebe unter Angehörigen dieser Rassen gibt. So konnte Buchner im Rahmen von mehreren Langzeitbeobachtungen in freien und geschlossenen Räumen insgesamt sieben Fälle von homosexuellem Paarungsverhalten entdecken. Darunter bildeten die acht beteiligten Rüden (analog vier Fälle) die Mehrheit, während vier Katzen gegenüber nur zwei Katern die gleichgeschlechtliche Liebe bevorzugten. Verglichen mit der Grundgesamtheit der untersuchten Haustierbegattungen bilden die observierten homosexuellen Varianten nur einen verschwindend geringen Prozentsatz. Bereits in den fünfziger Jahren fand ein bulgarischer Wissenschaftler übrigens Anzeichen für tierische Homosexualität - doch Georgi Andonov wurde nach der Publikation seiner Arbeit in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Die Ergebnisse Buchners werden demnächst im Sachbuch "Mein Hund, der Schelm" veröffentlicht, dessen Publikation in Bayern von der CSU-Landesregierung bereits vorab untersagt worden ist.
.Kokscomputer
Ein Werksarbeiter von Apple hat in den Jahren 2001 und 2002 mit Kokain gedealt. Der in der zweitgrößten Mac-Produktionsstätte in Taiwan beschäftigte US-Amerikaner war nach Angaben des Computerherstellers für die Endabnahme der Tastaturen verantwortlich. Diese Position soll der heute 39jährige dazu mißbraucht haben, Kokain in die Vereinigten Staaten und nach Europa zu verschieben. Er hat kleine Päckchen unter den Funktionstasten mehrerer "iMacs" und "Yosemites" deponiert, die von Mittelsmännern in den Zwischenlagern in Newark (USA), Dover (UK) und Veendam (NL) in Empfang genommen wurden. Da die Interpol und das FBI schon über einen längeren Zeitraum vor der Verhaftung des Dealers Stichproben in den Zwischenlagern durchführte, die allerdings zu keinem Erfolg führten, sind nach Schätzung von Apple etwa 2500 Rechner im Umlauf, bei deren Tastaturen sich unter den Tasten F6, F7 und F8 Kokain befindet. Der Computerhersteller bittet nun alle Mac-User, nachzuschauen, ob sie im Besitz eines der betreffenden Rechner sind. Mac-Besitzer, die Kokain finden, werden gebeten, sich unter der Telefonnummer 0049 800 66 67 68 zu melden. Für die Abgabe des Kokains erhalten ehrliche Finder eine kleine Belohnung. Ein Sprecher von Apple wies darauf hin, daß der Besitz, der Konsum und die Weitergabe von Kokain strafbar seien und mit teilweise drakonischen Strafen verfolgt würden.
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories