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Sonntag, 23. Mai 2004
Irak & Folter: Nur einer unter vielen?
herr denes, 14:09Uhr
Neben diversen Foto-Fakes zu den Folterungen im Irak, von denen jenes im "Daily Mirror" wohl die meisten Schlagzeilen machte, gibt es auch eine Reihe fiktionaler Verfehlungen. Selbst der wichtigste Enthüller, Seymour Hersh, der mit seinen Stories im New Yorker die gegenwärtige Diskussion in Gang gebracht hat, arbeitet möglicherweise nicht immer mit referenzialisierbaren Angaben.
Ganz aktuell wird über diesen New Yorker-Artikel diskutiert.
Auszug:
Das Medienmagazin Slate schreibt dazu:
Eindeutig ein Regierungsfreund, der hier für Slate schreibt. Doch, egal wie man zu Bush, Rumsfeld, Wolfowitz und Co. steht, an Hersh, einem der wichtigsten amerikanischen Printautoren, bleiben Zweifel hängen.
Die Neue Zürcher Zeitung beschreibt dieses Spannungsfeld (15.05.2004):
Ganz aktuell wird über diesen New Yorker-Artikel diskutiert.
Auszug:
- "THE GRAY ZONE
by SEYMOUR M. HERSH
How a secret Pentagon program came to Abu Ghraib.
Issue of 2004-05-24
Posted 2004-05-15
The roots of the Abu Ghraib prison scandal lie not in the criminal inclinations of a few Army reservists but in a decision, approved last year by Secretary of Defense Donald Rumsfeld, to expand a highly secret operation, which had been focussed on the hunt for Al Qaeda, to the interrogation of prisoners in Iraq. Rumsfeld’s decision embittered the American intelligence community, damaged the effectiveness of élite combat units, and hurt America’s prospects in the war on terror.
According to interviews with several past and present American intelligence officials, the Pentagon’s operation, known inside the intelligence community by several code words, including Copper Green, encouraged physical coercion and sexual humiliation of Iraqi prisoners in an effort to generate more intelligence about the growing insurgency in Iraq. A senior C.I.A. official, in confirming the details of this account last week, said that the operation stemmed from Rumsfeld’s long-standing desire to wrest control of America’s clandestine and paramilitary operations from the C.I.A.
Rumsfeld, during appearances last week before Congress to testify about Abu Ghraib, was precluded by law from explicitly mentioning highly secret matters in an unclassified session. But he conveyed the message that he was telling the public all that he knew about the story. He said, “Any suggestion that there is not a full, deep awareness of what has happened, and the damage it has done, I think, would be a misunderstanding.” The senior C.I.A. official, asked about Rumsfeld’s testimony and that of Stephen Cambone, his Under-Secretary for Intelligence, said, “Some people think you can bullshit anyone.”
The Abu Ghraib story began, in a sense, just weeks after the September 11, 2001, attacks, with the American bombing of Afghanistan..."
Das Medienmagazin Slate schreibt dazu:
- "What Went Wrong
The flaw in Seymour Hersh's theory.
By Christopher Hitchens
Posted Tuesday, May 18, 2004, at 9:52 AM PT
The most surprising thing about Seymour Hersh's latest New Yorker essay on the Abu Ghraib depravities is surely its title. It is headed "The Gray Zone." Can that be right? It seems to be generally assumed that the work of the sniggering video-morons is black and white: one of the very few moral absolutes of which we have a firm and decided grasp.
But Hersh's article wants to argue that the fish rots from the head, as indeed it very often does (even though, metaphorically speaking, one might think that the fish's guts would be the first to decay). And in order to argue this top-down process, he decides to propose that it began with Sept. 11. "In a sense," as he himself cautiously phrases it, this could arguably be true. (...) More than one kind of non sequitur is involved in this "scenario." And very obviously, the conclusion can exist quite apart from the premises. (There would have been sadistic dolts in the American occupation forces in Iraq, even if there had not been wavering lawyerly fools in the Tampa center that was monitoring Afghanistan.) One needs to stipulate, once again, that the filthy images from Abu Ghraib are not bad because they look bad, but bad because they are bad. Yet is it as obvious as it seems that only the supporters of the war have any questions to answer here?"
Eindeutig ein Regierungsfreund, der hier für Slate schreibt. Doch, egal wie man zu Bush, Rumsfeld, Wolfowitz und Co. steht, an Hersh, einem der wichtigsten amerikanischen Printautoren, bleiben Zweifel hängen.
Die Neue Zürcher Zeitung beschreibt dieses Spannungsfeld (15.05.2004):
- «Mistfink», «Extremist», «bester Reporter»
Der Skandalenthüller Seymour Hersh
Der Mann provoziert entschiedene Urteile: «Im amerikanischen Journalismus kommt Sy Hersh dem am nächsten, was man einen Terroristen nennt», schnaubte der Bush-Berater Richard Perle in einem CNN-Interview. Einen «antiisraelischen Extremisten» nannte ihn der Präsident der Zionist Organization of America. Der Publizist Eric Alterman befand dagegen: «Er ist einfach der beste lebende investigative Reporter.»
Enthüllungen seit über dreissig Jahren
Seit mehr als dreissig Jahren erregt der US-Journalist Seymour Hersh mit seinen akribisch recherchierten Enthüllungsgeschichten immer wieder das amerikanische Publikum. Jetzt traf er mit «Torture at Abu Ghraib» wieder den Nerv nicht bloss seiner Landsleute, sondern der Weltöffentlichkeit. Sein Bericht über die Misshandlungen irakischer Gefangener in einem US-Militärgefängnis bei Bagdad war zwar nicht die erste Nachricht über die systematische Demütigung und Folter der Häftlinge, lieferte aber den faktenreichen Referenztext, auf den sich die weltweite Medienberichterstattung bezieht. Mit «Chain of command» hat Hersh in dieser Woche weitere Recherchen veröffentlicht (www.newyorker.com).
(...)
Nicht immer stimmen die Fakten
Nicht immer stimmen alle Fakten, die Seymour Hersh berichtet. So erwiesen sich Dokumente, mit denen er einen haarsträubenden Skandal um John F. Kennedy nachweisen wollte, als Fälschungen. Auch liefert er seinen Kritikern immer wieder Argumente, weil er oft seine zahlreichen Gewährsleute, die er gern wörtlich zitiert, nicht mit Namen nennt. In einem Interview mit einer Kollegin vom «New Yorker» hat Hersh das Dilemma deutlich gemacht, in das ihn seine Arbeitsweise führt: «Es gibt Leute an entscheidenden Stellen, die die Wahrheit sagen wollen. Aber sie wollen auch nicht ihre Jobs verlieren. Sie wollen sagen, was los ist, aber sie haben eine Frau, ein Kind, eine Hypothek.» Dem Leser bleibt am Ende, das weiss Seymour, nur das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit des Reporters. Für diese Glaubwürdigkeit gibt es immerhin einen nun schon fünfunddreissig Jahre währenden Nachweis. Und solange Regierungen mit Skandalen wie dem im Gefängnis Abu Ghraib so umgehen, wie das die US-Regierung tut, so lange wird man auf Journalisten wie Seymour Hersh gewiss nicht verzichten können und wollen."
Heribert Seifert
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8x Fake: Jack Kelley (USA Today)
herr denes, 13:40Uhr
Wieder einmal ein Pulitzer-Prämierter. In der Tradition von Janet Cooke lancierte der Auslandsreporter der USA Today jahrelang gefälschte Stories.
Jack Kelley (ex USA Today)
Die Neue Zürcher Zeitung schreibt über Jack Kelley am 14. Mai:
Zuvor (22.April) hatte die Süddeutsche Zeitung den Fall zum Anlass genommen, die Fakedichte in den USA zu überblicken:
Stets interessant ist bei journalistischen Fälschungen die Stellungnahme der publizierenden Redaktion:
(Auszug vom 19.03.2004)
Die Ermittlungen im Fall Jack Kelley haben übrigens schon im Oktober 2003 begonnen.
Jack Kelley (ex USA Today)
Die Neue Zürcher Zeitung schreibt über Jack Kelley am 14. Mai:
- "Mitte März streute sich die grösste amerikanische Tageszeitung «USA Today» Asche aufs Haupt und gab bekannt, dass einer ihrer Reporter, Jack Kelley, in mindestens acht grösseren Artikeln falsche Tatsachen vorgespiegelt hat. Ein Reporterteam der Zeitung hatte unter der Leitung von drei externen Medienveteranen während sieben Wochen über 700 Arbeiten des Übeltäters überprüft. Es fand heraus, dass Kelley Zitate und Material aus anderen Publikationen übernahm, in Vorträgen log und das Untersuchungsteam hinters Licht zu führen versuchte. Kelley verliess im Januar die Zeitung. Vor einem Jahr hatte auch die «New York Times» einen ihrer Reporter, Jayson Blair, wegen wiederholter Fälschungen entlassen. Doch im Gegensatz zu Blair handelt es sich bei Kelley nicht um einen jungen, charakterlich ungefestigten Mann, sondern um einen 43-jährigen Mitarbeiter, der während 21 Jahren für «USA Today» gearbeitet hat."
Zuvor (22.April) hatte die Süddeutsche Zeitung den Fall zum Anlass genommen, die Fakedichte in den USA zu überblicken:
- "Manchmal geraten Reporter ins Schwärmen. Dann erzählen sie die abenteuerlichsten Geschichten: Wie zum Beispiel der später noch bekannter gewordene Investigateur Gerd Heidemann an einer Hotelbar in Kenia einst neue Bürgerkriegsopfer bestellte, weil die Fotos für die Heimatredaktion einfach nicht frisch genug aussahen. Alte Geschichten, und natürlich glatt erfunden. Reporter arbeiten nämlich seriös. "Drei Männer saßen vor ihrer Pizza, als sie aus dem Stuhl geschleudert wurden. Als sie wieder auf dem Boden aufschlugen, war bei jedem der Kopf vom Körper getrennt und rollte die Straße hinunter." Nicht gut genug? "Ihre Augen blinzelten immer noch."
Der Autor dieser feinen Prosa heißt Jack Kelley und hat USA Today, die größte Zeitung der USA, über zehn Jahre mit aufregenden Geschichten von den Kriegsschauplätzen der Welt beliefert. Er ließ sich von den albanischen Freischärlern anheuern; war dabei, als sechs Kubaner bei der Flucht ertranken und schilderte einen Selbstmordanschlag in einer Pizzeria in Jerusalem. Kelley wurde heftig beneidet von den Kollegen und mehrfach für den Pulitzer-Preis vorgeschlagen. Da sich die Zweifel dann doch ungebührlich mehrten, wurde Kelley im Januar entlassen. USA Today gab eine unabhängige Untersuchung in Auftrag, deren Ergebnis offenbar so katastrophal ausfiel, dass nun Chefredakteurin Karen Jurgensen zurücktrat.
Schon vor einem Jahr erlebte die New York Times ihren Skandal, als sie den Reporter Jayson Blair entlassen musste, der nirgends hinfuhr, sondern seine Geschichten lieber gleich erfand. Kelley brillierte mehr in Lokalkolorit. In den Redaktionen zeigt man sich vorschriftsmäßig beknirscht. Der Kampf um die exklusive Geschichte geht weiter."
Stets interessant ist bei journalistischen Fälschungen die Stellungnahme der publizierenden Redaktion:
(Auszug vom 19.03.2004)
- "How USA TODAY is conducting the investigation
A team of reporters spent seven weeks examining the work of former USA TODAY reporter Jack Kelley. The reporters read about 720 stories Kelley filed from 1993 through 2003. Each of the stories was read and discussed by at least two members of the team. Hundreds were relatively routine news reports. But about 150 stories stood out to the group for a variety of reasons.
At least 56 were based on exclusive, eyewitness reports, usually reported overseas. Dozens cited anonymous intelligence officials. Others were human-interest stories that offered poignant details about the suffering of war, illness and oppression. In at least 10 cases, Kelley wrote that he watched someone die.
To verify the stories, members of the team interviewed dozens of people; reviewed scores of Kelley's expense reports; traveled to Cuba, Israel and Jordan; scoured records from Kelley's hotel, mobile and office phones; reread transcripts of speeches Kelley gave; ran at least 150 stories through plagiarism-detection software; and examined the contents of the laptop computer Kelley was issued by the company. Phone records were incomplete, and most of the documents on the laptop had been deleted before Kelley left the newspaper in January.
Three veteran journalists from outside the paper — Bill Hilliard, Bill Kovach and John Seigenthaler — monitored the process and spent about 20 hours interviewing Kelley about his stories and the newsroom culture at USA TODAY. The transcripts of those interviews were shared with the team. Seigenthaler is the founding editorial director of USA TODAY. Hilliard is former editor of The Oregonian in Portland, Ore. Kovach is chairman of the Committee of Concerned Journalists, a group devoted to discussing journalism's future.
Members of the team, which continues to examine Kelley's work, are: John Hillkirk, editor; Michael Hiestand, Kevin McCoy, Blake Morrison, Rita Rubin and Julie Schmit, reporters; Ruth Fogle and Tom Ankner, researchers."
Die Ermittlungen im Fall Jack Kelley haben übrigens schon im Oktober 2003 begonnen.
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