Landpaula schreibt aus Warschau: "Wie eine richtige Mama"
herr denes, 09:24Uhr
Ich weiß nicht, ob alle Polen so sind wie meine Vermieterin. Aber wenn sie nur ein bisschen was von Pania Wiesia haben, dann sind die Polen richtig feine Menschen.
Pania Wiesia ist 63 Jahre alt und Rentnerin. Früher hat sie mal in
einem Archiv gearbeitet, nach '89 auf dem Flughafen in Warschau. In Deutschland war sie auch schon, eine Woche in Frankfurt am Main auf Weiterbildung. In London hat so sogar mal einen ganzen Monat gelebt. Deswegen spricht sie so gut Englich. Zwar mit dem typischen polnischen Akzent, aber es klingt bei ihr sehr reizend.
Sie hat's mit den Knien. Der Arzt sagt, sie muss unbedingt abnehmen, dann machen es die Gelenke noch ein paar Jahre. Deswegen herrscht jetzt strenge Diät. Meistens. Anstatt was Richtiges gibt es bei ihr Diät-Drinks, Pülverchen und Vitamintabletten. Und dabei isst Pani Wiesia so gerne. Na und kochen kann sie erst. Immer wenn sie was zaubert, fragt sie mich, ob ich probieren möchte. Zum Beispiel Leber. Ich musste dankend ablehnen. Ähnlich ging es mit der Rosenkohlsuppe.
Letztens hat sie "golabki" gemacht, Kohlrouladen. Wenn ich jetzt das dritte Mal Nein sage, dann bietet sie mir nie wieder was an. Also hab ich zwei gegessen. Ich hasse Kohlrouladen, aber allein die Tatsache, dass ich zwei verdrückt habe, spricht doch für sich. Hab natürlich gleich nach dem Rezept gefragt. Sie war ganz gerührt.
Vor der Wende war es ein Krampf, was zu Essen zu kaufen, erzählt Pania Wiesia. Es gab nix und das war auch noch teuer. Sie hat mir ihre letzte Lebensmittelmarke gezeigt. Ein graues Kärtchen mit verschiedenen Bons zum Abreißen, z.B. für 200g Fleisch, 200 ml Milch, 200g Brot. Das Kärtchen hatte 15 Abschnitte und musste für eine Person einen Monat reichen. Das war hart, sagt sie, wenn man seine Familie nicht satt
bekommen hat. Die Karte war von 1989. Jetzt passt ihr das Angebot auch nicht so richtig. Viel zu viel, sagt sie, da muss man so lange gucken und überlegen, was man nimmt.
Pania Wiesia kocht nicht jeden Tag, aber wenn sie was zaubert, mach ich immer den Abwasch. Sie regt sich dann auf, dass das doch ihre Arbeit ist und ich nicht abwaschen soll. Jedesmal wieder. Ich grinse dann nur und sag, dass das Arbeitsteilung ist: einer kocht, der andere wäscht ab. Jedesmal wieder.
Pani Wiesia hat eine Tochter, einen Sohn und vier Enkelkinder. Sie wohnt normalerweise allein in ihrer 3-Zimmer-Wohnung. Manchmal spricht sie über ihren Mann. Dass er nie den Abwasch gemacht. Ein richtiger Pole halt. Als er krank war, hat sie ihn gepflegt. Mehr erzählt sie nicht.
Abends schauen wir immer zusammen Fernsehen, am liebsten die telenovela (- mit eigenem Blog, Anm. herrd.) "M jak Milosc" = L - wie Liebe - das ist das Pendant zur Lindenstraße. Ein Deutscher spielt auch mit, Bauer Stefan. Jedesmal, wenn er auftauscht, grinsen wir beide nur, weil er in der Serie den Trottel mimt und keine Frau abbekommt. Ein festes Ritual sind mittlerweile auch die Kochsendungen am Samstag und Sonntag Vormittag. Für mich der beste Polnischunterricht überhaupt. In Polen hopsen auch so ein paar Jamie Oliver-Verschnitte rum. Zum Beispiel ein junger Franzose, der laut Pani Wiesia ein schreckliches
Polnisch spricht, das ich mir ja nicht abgucken soll.
Ein Typ ist ganz krass. Robert Maklowicz heißt er - in Polen ein ganz bekannter Fernsehkoch. Für seine Sendung "Kulinarische Reisen" zieht er durch ganz Europa, stellt ein paar Sehenswürdigkeiten vor und kocht gleich an Ort und Stelle. Letztens in Österreich, im dichten Schneetreiben auf einem Skihang. Das Dessert kam dann aus dem Thermalbad. Draußen versteht sich. Maklowicz kommt aus dem Wasser raus, stellt sich nur mit Badehose und barfuß an sein improvisiertes Kochpult
und fängt an zu brutzeln. Als er fertig ist, nimmt er den Teller mit rein ins Wasser und lässt dort verkosten. Krank. Aber lecker.
Nach den ganzen Kochsendungen haben Pani Wiesia und ich immer Hunger. Gestern hat sie wieder gezaubert. Razuchki, oder so ähnlich. In Teig gebackene Apfelringe. Ganz warm und knusprig, der Apfel innen so weich, dass er auf der Zunge zerschmilzt. Dazu Zucker und Zimt. Gigantisch
gut.
Auch sonst ist Pani Wiseia wie eine "Mama", dass sagt sie selber immer. Fragt, wie es mir geht, wie der Tag war, was ich gemacht habe. Guckt, dass ich genug esse. Passt auf, dass ich immer Schal und Mütze anhab. Sagt mir, dass ich ein zweites Paar Socken anziehen soll, weil es so kalt ist. Und das alles macht sie so nett und freundlich, dass ich mich abends freue, nach Hause zu kommen. Gestern Abend hat sie schon geschlafen. Leider.
Liebe Grüße aus Warschau - Kristin
Pania Wiesia ist 63 Jahre alt und Rentnerin. Früher hat sie mal in
einem Archiv gearbeitet, nach '89 auf dem Flughafen in Warschau. In Deutschland war sie auch schon, eine Woche in Frankfurt am Main auf Weiterbildung. In London hat so sogar mal einen ganzen Monat gelebt. Deswegen spricht sie so gut Englich. Zwar mit dem typischen polnischen Akzent, aber es klingt bei ihr sehr reizend.
Sie hat's mit den Knien. Der Arzt sagt, sie muss unbedingt abnehmen, dann machen es die Gelenke noch ein paar Jahre. Deswegen herrscht jetzt strenge Diät. Meistens. Anstatt was Richtiges gibt es bei ihr Diät-Drinks, Pülverchen und Vitamintabletten. Und dabei isst Pani Wiesia so gerne. Na und kochen kann sie erst. Immer wenn sie was zaubert, fragt sie mich, ob ich probieren möchte. Zum Beispiel Leber. Ich musste dankend ablehnen. Ähnlich ging es mit der Rosenkohlsuppe.
Letztens hat sie "golabki" gemacht, Kohlrouladen. Wenn ich jetzt das dritte Mal Nein sage, dann bietet sie mir nie wieder was an. Also hab ich zwei gegessen. Ich hasse Kohlrouladen, aber allein die Tatsache, dass ich zwei verdrückt habe, spricht doch für sich. Hab natürlich gleich nach dem Rezept gefragt. Sie war ganz gerührt.
Vor der Wende war es ein Krampf, was zu Essen zu kaufen, erzählt Pania Wiesia. Es gab nix und das war auch noch teuer. Sie hat mir ihre letzte Lebensmittelmarke gezeigt. Ein graues Kärtchen mit verschiedenen Bons zum Abreißen, z.B. für 200g Fleisch, 200 ml Milch, 200g Brot. Das Kärtchen hatte 15 Abschnitte und musste für eine Person einen Monat reichen. Das war hart, sagt sie, wenn man seine Familie nicht satt
bekommen hat. Die Karte war von 1989. Jetzt passt ihr das Angebot auch nicht so richtig. Viel zu viel, sagt sie, da muss man so lange gucken und überlegen, was man nimmt.
Pania Wiesia kocht nicht jeden Tag, aber wenn sie was zaubert, mach ich immer den Abwasch. Sie regt sich dann auf, dass das doch ihre Arbeit ist und ich nicht abwaschen soll. Jedesmal wieder. Ich grinse dann nur und sag, dass das Arbeitsteilung ist: einer kocht, der andere wäscht ab. Jedesmal wieder.
Pani Wiesia hat eine Tochter, einen Sohn und vier Enkelkinder. Sie wohnt normalerweise allein in ihrer 3-Zimmer-Wohnung. Manchmal spricht sie über ihren Mann. Dass er nie den Abwasch gemacht. Ein richtiger Pole halt. Als er krank war, hat sie ihn gepflegt. Mehr erzählt sie nicht.
Abends schauen wir immer zusammen Fernsehen, am liebsten die telenovela (- mit eigenem Blog, Anm. herrd.) "M jak Milosc" = L - wie Liebe - das ist das Pendant zur Lindenstraße. Ein Deutscher spielt auch mit, Bauer Stefan. Jedesmal, wenn er auftauscht, grinsen wir beide nur, weil er in der Serie den Trottel mimt und keine Frau abbekommt. Ein festes Ritual sind mittlerweile auch die Kochsendungen am Samstag und Sonntag Vormittag. Für mich der beste Polnischunterricht überhaupt. In Polen hopsen auch so ein paar Jamie Oliver-Verschnitte rum. Zum Beispiel ein junger Franzose, der laut Pani Wiesia ein schreckliches
Polnisch spricht, das ich mir ja nicht abgucken soll.
Ein Typ ist ganz krass. Robert Maklowicz heißt er - in Polen ein ganz bekannter Fernsehkoch. Für seine Sendung "Kulinarische Reisen" zieht er durch ganz Europa, stellt ein paar Sehenswürdigkeiten vor und kocht gleich an Ort und Stelle. Letztens in Österreich, im dichten Schneetreiben auf einem Skihang. Das Dessert kam dann aus dem Thermalbad. Draußen versteht sich. Maklowicz kommt aus dem Wasser raus, stellt sich nur mit Badehose und barfuß an sein improvisiertes Kochpult
und fängt an zu brutzeln. Als er fertig ist, nimmt er den Teller mit rein ins Wasser und lässt dort verkosten. Krank. Aber lecker.
Nach den ganzen Kochsendungen haben Pani Wiesia und ich immer Hunger. Gestern hat sie wieder gezaubert. Razuchki, oder so ähnlich. In Teig gebackene Apfelringe. Ganz warm und knusprig, der Apfel innen so weich, dass er auf der Zunge zerschmilzt. Dazu Zucker und Zimt. Gigantisch
gut.
Auch sonst ist Pani Wiseia wie eine "Mama", dass sagt sie selber immer. Fragt, wie es mir geht, wie der Tag war, was ich gemacht habe. Guckt, dass ich genug esse. Passt auf, dass ich immer Schal und Mütze anhab. Sagt mir, dass ich ein zweites Paar Socken anziehen soll, weil es so kalt ist. Und das alles macht sie so nett und freundlich, dass ich mich abends freue, nach Hause zu kommen. Gestern Abend hat sie schon geschlafen. Leider.
Liebe Grüße aus Warschau - Kristin
Dienstag, 22. Februar 2005, 09:24, von herr denes |
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