Faction: Der Scheinpoet (2000)
herr denes, 12:32Uhr
Böse Zungen behaupten, Frauen seien nur an Geld interessiert. Aber eigentlich suchen sie auf den Scheinen nur nach der wahren Liebe.
Manche Geschichten drohen an Formalitäten zu scheitern. Wenn man sie hört, ist man berührt, vielleicht läuft einem auch der oft zitierte Schauer über den Rücken, doch spätestens drei Gedanken weiter fragt man sich: "Moment mal, wo ist denn hier der Haken?"
Womit wir radikal das Thema wechseln: Banknoten und Münzen sind Eigentum des Staates, und jeder Mißbrauch ist strafbar. Wer mutwillig Geld zerstört, beschädigt oder zweckentfremdet, dem droht eine Zuchthausstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren. So steht es im Gesetz.
Ein 23jähriger Grieche aus Ostwestfalen in Deutschland führt diese beiden Erzählstränge in seiner Position und seinen Aufrißmethoden zusammen. Wir haben ihn interviewt.
FAKTENFIKTION: Georgios, hast du eine Freundin?
Georgios: Ich liebe alle Frauen, wirklich alle.
FAKTENFIKTION: Aber vielleicht eine ganz besonders?
Georgios: Momentan liebe ich neben meiner Mutter und meiner Oma noch mindestens fünf weitere Frauen.
FAKTENFIKTION: Das nennt man Polygamie.
Georgios: Nicht unbedingt. Ich habe keine feste Beziehung; es sind immer die Frauen, die auf mich zukommen. Ich habe keiner etwas versprochen. Mein Schicksal ist, daß ich alle Frauen liebe.
FAKTENFIKTION: Wie schaffst du das?
Georgios: Das ist angeboren. Ich sehe eine Frau und finde sie schön. Ich telefoniere mit einer...
FAKTENFIKTION: Nein, wir wollen gar nicht wissen, weshalb du angeblich alle Frauen liebst, sondern warum sie auf dich zukommen.
Georgios: Oh. Ich bin Dichter. Genauso erfolgreich wie Donna Leon.
FAKTENFIKTION: Man kennt deinen Namen (Nioplis; Anm. d. Red.) aber nicht aus den Bestsellerlisten.
Georgios: Aber viele Menschen haben schon einmal einen Text von mir gelesen. Ich publiziere auf Geldscheinen. Die Notenbank ist mein Verleger, die Banken sind die Buchhandlungen.
FAKTENFIKTION: Auf welchen Scheinen verewigst du Deine Texte?
Georgios: Bisher fast nur auf deutschen und griechischen. Aber zu meiner großen Freude kommt ja bald der Euro.
FAKTENFIKTION: Viel Platz bleibt da aber nicht zum Schreiben, zumindest bei kleineren Werten.
Georgios: Auf den deutschen Zehnmarkschein paßt ein Sonett mit Überschrift und meiner Signatur.
FAKTENFIKTION: Kommen wir zurück zu den Frauen. Was lockt sie denn nun an?
Georgios: Das habe ich doch schon gesagt. Die Texte auf den Geldscheinen.
FAKTENFIKTION: Und wovon handeln die?
Georgios: Sie sind einfach schön. Manche sagen, sie wären belanglos, zum Beispiel, weil sie nur von einer verwelkenden Rose in einem Garten erzählen. Oder weil sie altmodische Floskeln enthalten. Aber - ganz ehrlich: Mich interessiert auch nicht, was Männer dazu meinen.
FAKTENFIKTION: Kannst du ein Beispiel zitieren?
Georgios: Das möchte ich nicht. In Deutschland sind mittlerweile sechshundert Scheine in Umlauf, auf denen man Georgios´ Lyrik lesen kann.
FAKTENFIKTION: Verstehe - wahrscheinlich willst du Nachahmer vermeiden.
Georgios: Richtig. Die Wirkung meiner Texte beruht aber auch und vor allem auf der Situation, in der man sie liest. Zum Beispiel, wenn eine verlassene, traurige Frau sich eine romantische CD kauft, sie mit einem 50-Mark-Schein bezahlt und im Wechselgeld einen von mir beschrifteten Zehner findet.
FAKTENFIKTION: Das ist jetzt aber sehr hanebüchen!
Georgios: Keineswegs. Diese Situation hat schon mehrmals stattgefunden. Ich erhalte von meinen Verehrerinnen immer wieder Rückmeldungen, wie sie an den betreffenden Schein gekommen sind.
FAKTENFIKTION: Wie findet denn die Kommunikation statt?
Georgios: Anfangs stand meine Telefonnummer unter den Gedichten; das war aber wohl zu plump und mir selbst auch zu riskant.
FAKTENFIKTION: Und nun signierst du mit Deiner E-Mail-Adresse?
Georgios: amor@hotmail.com, genau! Das ist geheimnisvoller und schließt in unseren Zeiten keinen mehr aus.
FAKTENFIKTION: Du bist gewissermaßen ein High-Tech-Don Juan. Was sagen denn die Behörden dazu?
Georgios: Bisher hat sich noch niemand bei mir gemeldet. Aber ich tue ja auch keinem was Böses.
FAKTENFIKTION: Nur noch eine Frage: Wie kommst du an so viele Scheine?
Georgios: Ich schreibe einfach auf alle Geldscheine, die mir und meiner Familie unterkommen. Mein Onkel hat gerade an der Börse Erfolg gehabt - da erwarte ich schon meinen nächsten Bestseller!
FAKTENFIKTION: Wir sind gespannt!
Georgios: Danke.
Donnerstag, 12. Februar 2004, 12:32, von herr denes |
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